Zwei Brüder, die auf den ersten Blick nicht verschiedener sein könnten: Michael ist das Lieblingskind seiner Eltern, er hat beim Militär Karriere gemacht, eine hübsche Frau und zwei wohlerzogene Töchter. Sein jüngerer Bruder Jannik dagegen hat sein Leben nie richtig in den Griff bekommen, der Vater verachtet ihn, ein Gewaltausbruch hat Jannik sogar für einige Jahre ins Gefängnis gebracht. Das Blatt ändert sich, als Michael für eine UN-Mission nach Afghanistan geschickt wird und dort mit dem Hubschrauber abstürzt. Während er offiziell für tot erklärt wird, bahnt sich eine zarte Liebesbeziehung zwischen Jannik und der Frau seines Bruders an, in deren Verlauf sich Jannik zum liebenden, sorgenden und auch von den Kindern akzeptierten Ersatzvater wandelt. Unterdessen gerät Michael als Gefangener der Taliban in eine menschliche Extremsituation. Als der Totgeglaubte schwer traumatisiert nach Hause zurückkehrt, ist nichts mehr wie zuvor und bald ist es Michael, der zum schwarzen Schaf der Familie erklärt wird. – Die Regisseurin Susanne Bier hat in ihrem herausragenden und bereits mehrfach preisgekrönten Werk über die Zerbrechlichkeit des Lebens zwei Geschichten zusammengeführt, die bisher kaum unter einen Hut zu bringen waren: ein klassisches Familiendrama, bei dem eines der Mitglieder zum Vorteil der anderen zum schwarzen Schaf erklärt wird, und die Traumatisierung von Soldaten, die irgendwo auf der Welt für eine Friedensmission ihr Leben riskieren, dabei seelisch erkranken und zurück in der Heimat mit ihrem bisherigen Leben nicht mehr zurechtkommen. Und doch lassen sich beide Geschichten eigentlich nicht trennen. Was Michael in Gefangenschaft der Taliban beim blanken Überleben hilft, wird ihm nach seiner Rückkehr zum Verhängnis und das Leben und die Liebe entgleiten ihm. Zugleich lotet der Film die Untiefen der menschlichen Existenz aus, erklärt, wozu ein Mensch in Extremsituationen fähig ist und relativiert damit unsere geschönten Vorstellungen von "guten" und von "bösen" Menschen hier und anderswo. Das glänzend gespielte Drama macht betroffen, regt zum Nachdenken an und gehört zweifellos zu den besonders empfehlenswerten Filmen des laufenden Kinojahres.
Autor/in: Holger Twele, 01.03.2005