Die Dokumentarfilmerin Karin Jurschick sucht Spuren ihrer Kindheit und Familiengeschichte. Dazu nimmt sie nach Jahren völliger Funkstille Kontakt mit ihrem 91-jährigen Vater auf. Sie konfrontiert ihn mit unbequemen Erinnerungen und Fragen zum Selbstmord ihrer Mutter und zum Leben während und nach dem Zweiten Weltkrieg. Die Gespräche mit dem Vater stehen im Zentrum einer Montage aus Videoaufnahmen, Spielszenen, Kommentaren und historischen Aufnahmen aus dem nationalsozialistischen Deutschland. – Karin Jurschick gelingt ein präzises Bild von der bundesrepublikanischen Nachkriegszeit. Vor allem aber ist ihr Film die Geschichte einer gestörten, entfremdeten Beziehung zwischen Vater und Tochter. Schon als Kind solidarisierte sich die Autorin mit der Mutter gegen das tyrannische Familienoberhaupt. Die Vorwürfe der jungen Frau prallen an dem senilen Vater ab. Der einstige Prüfstandsingenieur hat völlig verdrängt, dass sich seine Frau vor 23 Jahren das Leben nahm, weil sie einen Ausweg aus der unglücklichen Ehe suchte. In seiner Hilflosigkeit wird er unfreiwillig zur tragikomischen Figur. Warum sich Jurschicks Mutter 1974 das Leben nahm, berichten nüchtern und beklemmend Zeitzeugen aus der Nachbarschaft.
Autor/in: Kirsten Liese, 01.11.2001