Herbst 2008, Wall Street: In einer großen New Yorker Investmentbank liegen die Nerven blank. Nach einer Massenentlassung am Morgen entdeckt die Rechnungsabteilung ein gewaltiges Finanzleck: Der durch den Besitz toxischer Optionspapiere drohende Verlust übersteigt bei weitem das Firmenkapital. Mitten in der Nacht wird eine Krisensitzung einberufen, der Chef lässt sich per Hubschrauber einfliegen. Ohne Rücksicht auf finanzielle Verluste der betrogenen Kunden und den Ruf der eigenen Firma ordert er den Verkauf. Der alte Hase Sam und das hochbegabte Nachwuchstalent Peter ahnen die Folgen, doch die Angst um den Arbeitsplatz und die Aussicht auf lukrative Boni überwinden alle Skrupel: Am Morgen startet die hektische Verkaufsaktion, die den bisher größten Finanzcrash der Geschichte auslösen wird.
Der große Crash – Margin Call ist ebenso Finanzthriller wie Kammerspiel, begrenzt auf die Räume der Bank und einen engen zeitlichen Rahmen. Das zweckrationale Ambiente aus Stahl und Glas schafft eine unterkühlte Grundatmosphäre, während die spannungsreiche Handlung auf eine Katastrophe zusteuert. Das Gefühl der Anspannung vermittelt sich nicht über Effekte, sondern über das klug kalkulierte Zusammenspiel der Akteure/innen. Dass eben diese "Rationalität" den Zusammenbruch bewirkt, ist das Paradox des Films. Den hochbezahlten Analysten/innen und Kalkulatoren ist bewusst, dass ihr Handeln "normale Menschen" um ihr Vermögen bringt. Doch die Gesetze der Branche lassen ihnen keine andere Wahl. So zeigt Regisseur J.C. Chandor die Broker nicht als leichtsinnige Zocker, sondern als kühle Rechner, denen das eigene, für unfehlbar gehaltene System über den Kopf wächst. Die wahren Opfer allerdings bleiben unsichtbar.
Selbst das wortreiche Drehbuch der an den Kollaps von Lehman Brothers und anderer Banken angelehnten Krisenstudie kann das komplizierte Geschäft mit Hedgefonds, Derivaten und faulen Krediten nicht "einfach" erklären. Dennoch erschließt sich der ungefähre Ablauf auch wirtschaftlichen Laien, und so bietet der Film eine gute Diskussionsgrundlage, um im Unterricht über die Ursachen und Folgen der Finanzkrise zu reden. Darüber hinaus können Charakterstudien der durchaus unterschiedlich motivierten Handlungsträger erstellt werden. Für Schülerinnen und Schüler besonders interessant sind die Nachwuchsbroker Peter und Seth, die in ihren jungen Jahren bereits mit horrenden Gewinnsummen hantieren, untereinander aber auch die moralischen Folgen ihres Handelns diskutieren. Abschließend kann auch über die ethischen Implikationen des Berufsbildes "Investmentbanker" gesprochen werden.
Autor/in: Philipp Bühler, 12.09.2011
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