Ein junger Mann aus Taipeh mimt vor laufender Kamera eine treibende Leiche im Fluss. Am nächsten Morgen erwacht er mit einem stechenden Schmerz im Nacken. Seine Eltern, mit denen er unter einem Dach wohnt, aber kaum kommuniziert, versuchen ihm vergeblich zu helfen. Die Liebe zwischen den Eltern ist seit langem erloschen, sie gehen heimlich ihre eigenen Wege. Der Vater spürt in unzähligen Saunas jungen Männern nach. Die Mutter kompensiert ihren sexuellen Frust mit Porno-Videos. Erst eine gemeinsame Reise zu einem Wunderdoktor bringt Vater und Sohn überraschend näher. – Der Fluss ist ein wortkarger, subtiler und zugleich tragikomischer Film über psychische Verdrängungsmechanismen. Der malaysische Regisseur Tsai Ming-Liang führt exemplarisch vor, was geschieht, wenn man nicht nach Ursachen forscht, sondern an Symptomen herumdoktert: Als es von der Decke tropft, sucht der Vater nicht nach der Quelle des Lecks, sondern fängt das Wasser mit Eimern und Planen auf. Das ist auf Dauer keine Lösung, so steht sein Zimmer absehbar irgendwann unter Wasser. Solange die familiären Konflikte unausgesprochen bleiben und gären, wird auch das Leiden des Sohnes nicht besser, sondern noch schlimmer. Das poetische Drama aus Taiwan lief bereits 1997 auf der Berlinale und wurde mit dem Silbernen Bären für die beste Regie ausgezeichnet.
Autor/in: Kirsten Liese, 01.03.2002