Der Mathematiker Martin Blunt versucht nach einem Aufenthalt in der Psychiatrie vergeblich, sein früheres Leben wieder aufzunehmen: Sein Arbeitgeber beschäftigt ihn nicht mehr, seine Freundin hat sich von ihm getrennt. Allein in einer Wohnung verfällt Blunt allmählich dem Alkohol, hört auf, seine Medikamente zu nehmen, verwahrlost und verliert schließlich seine Unterkunft. In einem Abrisshaus trifft der Obdachlose auf einen geheimnisvollen Jungen, der nur Russisch spricht. Die beiden freunden sich an, ziehen in den Wald, bauen eine Hütte und genießen Momente der Unbeschwertheit. Selbst eine tiefere Beziehung zur jungen Zahnarzthelferin Lena scheint sich anzubahnen. Doch das Glück währt nur kurz. Seine Psychiaterin weist Martin gegen seinen Willen wieder in die Klinik ein und konfrontiert ihn mit einer unbequemen Wahrheit.
Mit
Die Summe meiner einzelnen Teile knüpft Hans Weingartner thematisch und stilistisch an sein preisgekröntes Spielfilmdebüt
Das weiße Rauschen (Deutschland 2001) an. Sozialkritik mit Utopie verbindend, erzählt er erneut von der Isolation eines psychisch Kranken, wobei die Grenzen zwischen Wahn und Wirklichkeit zunehmend verwischen. Entfesselte
Kamerabewegungen, hektische
Schnitte,
Flashbacks, bleiche
Farben und ein sparsam eingesetzter
Soundtrack mit atmosphärischen Gitarrenklängen vermitteln plastisch die Weltsicht des Protagonisten. Im Kontrast dazu vermitteln kalte, graue Impressionen von unwirtlichen Orten die Erfahrungen des sozialen Abstiegs.
Wie ist ein Leben ohne Angst möglich? Wofür lohnt es sich zu kämpfen? Welche Chancen eröffnet ein Ausstieg aus der Gesellschaft? Die zentralen Fragen dieses Films bieten spannende Diskussionseinstiege für den filmpädagogischen Unterricht. Schüler/innen können die konträren Standpunkte reflektieren und bewerten. Ferner können sie erörtern, inwiefern Weingartner mit seinen unterschiedlichen Wahrnehmungsebenen von "verrückter" und "normal" erlebter Gegenwart Normen und tradierte Werte hinterfragt und sich dazu positionieren. Eine Schlüsselfigur in diesem Kontext ist der Junge: Welche filmischen Mittel und Details der Inszenierung sprechen für seine wirkliche Existenz, welche für eine imaginäre?
Autor/in: Kirsten Liese, 12.01.2012
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