In einem Nachtzug nach Berlin trifft Gianni erstmals seinen 15-jährigen Sohn Paolo, der körperlich und geistig behindert ist. Er hat den Jungen kurz nach der Geburt verlassen, bei der die Mutter starb, und ihn in die Obhut seiner Schwägerin gegeben, die ihn mit ihrem Mann groß zog. Der für Paolo noch unbekannte Vater soll den Jungen nun zu einer wichtigen Untersuchung in einem Berliner Krankenhaus begleiten. Zwei Menschen, die trotz der engen Verwandtschaft einander fremd sind, versuchen auf der Reise, die wechselseitigen Hemmungen zu überwinden. Paolo erweist sich als recht eigenwillig, was den unerfahrenen Gianni anfangs überfordert. Erst durch die Begegnung mit der älteren Nicole, die liebevoll eine schwerstbehinderte Tochter betreut, lernt Gianni, mit der Behinderung seines Sohnes besser umzugehen. Trotz einer unübersehbaren Annäherung bleibt das Verhältnis zwischen Vater und Sohn prekär und im Ergebnis offen.
Gianni Amelio, der in den neunziger Jahren mit hervorragenden sozialkritischen Filmen wie Gestohlene Kinder und Lamerica von sich reden machte, meldet sich mit dieser subtilen Kombination aus Familiendrama und Roadmovie nach sechsjähriger Schaffenspause zurück. Stilsicher meidet Amelio bei dem komplexen Stoff die Untiefen eines kitschigen Betroffenheitskinos.
Die Hausschlüssel so der Regisseur, sei "kein Film über Behinderung, er erzählt von der Schwierigkeit, das Verschiedenartige zu akzeptieren, und von dem Gefühl der Unzulänglichkeit". Getragen wird die unprätenziöse, fast lakonische Studie von exzellenten Schauspielern/innen: Der attraktive italienische Kino-und TV-Star Kim Rossi Stuart meistert die Aufgabe ebenso souverän wie der tetraplegisch behinderte Andrea Rossi als Paolo. Noch eindrucksvoller, weil warmherzig und herb, traurig und lebensweise spielt Charlotte Rampling als Nadine. Sie prägt auch die stärkste Szene des Films, wenn sie gegenüber Gianni bekennt, wie sehr sie unter dem Zwiespalt zwischen Aufopferung und Aggression gegen die Tochter leidet. In sehr ruhigen, manchmal fast schmerzhaft langen Sequenzen, beschreibt dieses Roadmovie den hindernisreichen Prozess einer menschlichen Annäherung.
Autor/in: Reinhard Kleber, 22.10.2006