Die Muslimin Ayse aus Kopenhagen ist eine leidenschaftliche und talentierte Kung Fu-Kämpferin. Ihre Eltern wünschen sich vor allem eine gute Ausbildung für die junge Gymnasiastin, am besten sollte sie Ärztin werden. Die 17-Jährige, die in der Tat sehr ehrgeizig ist, interessiert sich aber mehr für den Sport als für die Vorbereitungen auf das Abitur. Sie beginnt heimlich, an einer professionellen Kung Fu-Schule zu trainieren, wo sie auch gegen junge Männer kämpfen muss. Dies ist, trotz aller Aufgeklärtheit, nicht akzeptabel für ihre Familie. Eines Tages lernt Ayse Omar, den besten Kämpfer der Kung Fu-Schule und ein Bekannter ihres Bruders, beim Training kennen. Auf der Verlobungsfeier ihrer beiden Geschwister kommt es zum Eklat, als Omar Ayses Geheimnis verrät.
Der Film der dänischen Regisseurin Natasha Arthy beschäftigt sich mit einem für viele Heranwachsende schwierigen Thema: den eigenen Weg zu gehen und dabei Entscheidungen gegen den Willen der Eltern oder gesellschaftliche Vorgaben durchzusetzen. Dieses universelle Problem spitzt sich zu durch den Umstand, dass die Geschichte in einer Migranten-Familie und damit an der Bruchstelle zweier Kulturen situiert ist. Zwar vermeidet die Regisseurin gängige Klischees, indem sie ihre Geschichte in einem eher liberalen islamischen Umfeld angesiedelt hat. Doch auch diese gut in die dänische Gesellschaft integrierten Muslime beugen sich dem Ehrenkodex, der beispielsweise jeglichen Körperkontakt zwischen unverheirateten Frauen mit dem anderen Geschlecht untersagt. Deswegen darf Ayse auch nicht in einem geschlechtlich gemischten Kung Fu-Klub trainieren.
Eine zentrale Rolle in der weitgehend realistisch erzählten Coming of Age-Geschichte nehmen die Kung Fu-Sequenzen ein. Akrobatisch und durch den Einsatz von Zeitlupe und Zeitraffer stark stilisiert, ähneln sie den Kampfeinlagen in modernen asiatischen Martial Arts-Filmen. Diese Kampfszenen haben eine vergleichbare Funktion wie Tanzeinlagen oder Songs in Musicals: Sie dienen als Katalysator für tiefere emotionale Vorgänge, drücken Frustration, Unsicherheit oder auch Freiheitsdrang aus. Bei den Kämpfen lernt Ayse auch, einen klaren Kopf zu bewahren – selbst wenn die Welt um sie herum zusammenzubrechen scheint. Mit einer relativ dunklen und warmen
Farbgebung und zahlreiche
Close-ups bleibt die Kamera nahe an seiner Protagonistin, deren innere Konflikte und Entwicklung von der Laiendarstellerin Semra Turan glaubwürdig verkörpert werden. Stark, konzentriert und eigenwillig wie Ayse ist, durchläuft sie den schwierigen Abnabelungsprozess von ihrer Familie und findet, obwohl sie mit der Entscheidung über ihr Leben und ihren Problemen zeitweise vollkommen allein dasteht, ihren Weg.
Autor/in: Stefanie Zobl, 11.12.2008
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