Berlin-Kreuzberg im Herbst 1989: Dort lebt Frank, den alle nur "Herr Lehmann" nennen, weil er schon bald 30 wird. Nachts bedient er in einer Kneipe, am Tag gibt er sich dem Müßiggang hin. Karrierepläne oder andere Ambitionen sind ihm fremd, bis ungewollt Bewegung in sein lethargisches Dasein kommt: Er lernt die "schöne Köchin" Katrin kennen und verliebt sich in sie, seine Eltern aus der westdeutschen Provinz wollen ihn besuchen und sein bester Freund Karl erleidet, vollgepumpt mit Drogen, einen Nervenzusammenbruch. Doch erst die Aufbruchstimmung am 9. November, dem Tag des Mauerfalls, gibt "Herr Lehmann" den Antrieb, endlich das Leben selbst in die Hand zu nehmen. – Regisseur Leander Haußmann portraitiert in seinem Film einen "typischen" Kreuzberger zur Zeit vor dem Mauerfall. Er driftet dabei lakonisch und scheinbar genauso ziellos um eine nicht greifbare Geschichte wie sein Protagonist. Gerade damit trifft er aber das Lebensgefühl des sympathischen Sonderlings Herr Lehmann stellvertretend für die legendäre linke Kreuzberger Szene. Dieser gehörte auch Sven Regener an, der Autor des gleichnamigen Kultromans, der auch das Drehbuch zum Film verfasst hat. Mit seiner melancholischen Geschichte über Herr Lehmann hat er die Zeit wiederbelebt, in der (Überlebens-)Künstler, Philosophen, Anarchos und andere gesellschaftliche Außenseiter, geschützt durch die Insel-Lage West-Berlins, nach den eigenen Idealen, materiell anspruchslos und scheinbar unberührt von Gesellschaftszwängen leben konnten. Nach dem Fall der Mauer wichen die Bohème und ihr alternativer Lebensstil langsam der Spaßgesellschaft der 1990er Jahre und dem wirtschaftlichen Aufschwung der New Economy.
Autor/in: Stefanie Zobl, 01.10.2003