Ein junger Taxifahrer zieht rastlos durch Beijing. Er driftet durch unterschiedlichste Milieus, lauscht den Erzählungen seiner Fahrgäste und sucht Bekanntschaften mit Frauen. Viel Glück in der Liebe ist ihm trotz zahlreicher Affären nicht beschieden. Verzweifelt hascht der junge Mann nach einer Chance, ohne eine Vorstellung davon zu haben, wie sie aussehen könnte. – Wie viele Taxifilme erzählt I love Beijing von den Schwierigkeiten der Liebe und der wachsenden Einsamkeit inmitten einer vibrierenden Metropole. Obwohl in der künftigen Olympiastadt 2008 seit den 90er Jahren ständig neue Hochhausquartiere und Glasgiganten entstehen, erscheint die Boomtown als ein schrundiger, kalter Moloch. Dieses äußere Erscheinungsbild korrespondiert aus Sicht der Filmemacherin Ning Ying mit einem Verlust traditioneller Werte, wie Familiensinn und Generationenvertrag. Die 1959 Geborene zählt zur 5. Generation chinesischer Filmemacher, deren Arbeiten sich mit Zäsuren in der Geschichte, Brüchen im Alltag und Narben im Sozialgefüge beschäftigen. In seiner dokumentarischen Genauigkeit erinnert der Film an die Neorealisten. Ying beobachtet Pärchen, die sich scheiden lassen, Mütter, die Schwiegertöchter ohrfeigen, Neureiche, die Dienstleistungen mit Schlägen quittieren, und dekadente Yuppies, die sich Cocktails mischen, für die mancher kleine Angestellte einen ganzen Wochenlohn berappen müsste.
Autor/in: Kirsten Liese, 01.06.2002