In Kekexili, dem größten Tierreservat Chinas, leben viele seltene Tierarten, darunter die Tibetische Antilope. Wegen ihres begehrten Fells erlegen Wilderer sie zu Hunderten, so dass die Zahl der Antilopen in den 1990er-Jahren dramatisch zurückging. Deshalb gründeten ortsansässige Tibeter eine Patrouille von Freiwilligen, die von 1993 bis 1996 die Wilderer unter Einsatz ihres Lebens bekämpften. Dieser existenzielle Konflikt steht im Mittelpunkt von Kekexili , dem zweiten Spielfilm des chinesischen Nachwuchsregisseurs Lu Chan. Geschildert werden die Ereignisse aus der Sicht des jungen Journalisten Ga Yu, der im Auftrag seiner Zeitung aus Peking in das tibetische Qingzang-Plateau reist, um auf 5.000 Metern Höhe den Einsatz der Patrouille zu begleiten. Da Ga Yu selbst Tibeter ist, kann er das Misstrauen der Wildhüter rasch überwinden. Bei der Fahrt durch die 40.000 Quadratkilometer große Wildnis wird die vom charismatischen Ex-Offizier Ri Tai angeführte Patrouille von skrupellosen Wilderern mehrfach aus dem Hinterhalt angegriffen: Die Jäger werden selbst zu Gejagten. Ga Yu verfolgt die unbarmherzige Auseinandersetzung zunächst als distanzierter Beobachter, wird jedoch durch die Umstände des Überlebenskampfs auch gegen Hunger, Kälte, Schneestürme und Treibsand zunehmend in den tödlichen Konflikt hineingezogen. – Vor grandioser Bergkulisse und schier endlosen Steinwüsten inszeniert der Regisseur die Ereignisse als Kombination aus Reportage und Western. Während die Verweise auf Jahreszahlen und Schauplätze der wahren Begebenheiten dem packenden Öko-Drama eine authentische Atmosphäre geben, belebt Lu Chuan zugleich Erzählstrategien des klassischen Western wieder. Erfreulicherweise vermeidet er es dabei, die Wildhüter als selbsternannte Law-and-Order-Männer zu heroisieren, sondern zeigt schonungslos deren moralisches Dilemma auf: Weil die örtlichen Behörden die Patrouille nicht bezahlen, muss diese einige der beschlagnahmten Felle verkaufen, um zu überleben.
Autor/in: Reinhard Kleber, 01.12.2005