Mitte der 1990er-Jahre tauchte der Extremsportler Andreas Niedrig plötzlich in der internationalen Triathlon-Szene auf und erzielte schon bald beachtliche Erfolge bei etlichen "Ironman"-Wettkämpfen, die aus einer Schwimmstrecke von 3,8 Kilometer, einer Radfahretappe von 180 Kilometern und einem Marathonlauf bestehen. Was kaum jemand wusste: Vor seiner Sportkarriere war Niedrig jahrelang heroinsüchtig gewesen. In der 1999 veröffentlichten Autobiografie
Vom Junkie zum Ironman schildert der Triathlet, wie er nach einem Selbsttötungsversuch und einer gescheiterten Entzugstherapie mit Unterstützung seiner Frau und seines Sporttrainers den Weg aus der Abhängigkeit fand.
In seinem ersten langen Kinofilm hält sich Regisseur Adnan Kösean die biografischen Eckdaten, reichert diese aber aus dramaturgischen Gründen mit fiktiven Elementen an. So stellt er dem jungen Niedrig drei gleichaltrige Jugendliche zur Seite, die als "Die Fantastischen Vier" in den 1980er-Jahren im Ruhrgebiet abhängen, die Joints kreisen lassen und von der großen Freiheit träumen. Die Szenen um die Viererclique mit ihren naiven Aussteigerphantasien, die treffende Milieuschilderung einer wirtschaftlich stagnierenden Region, auch der zeittypische Achtzigerjahre-Flair zählen zu den Stärken des Films. Zudem zeichnet
Lauf um dein Leben den Weg in die Abhängigkeit authentisch und unverschönt nach. Haschisch wird zur Einstiegsdroge für die kleinen Fluchten aus dem Alltag, doch am Ende fordert die Heroinsucht der Freunde ihren Tribut.
Während Köse die Stationen des drogenbedingten Abstiegs ausführlich schildert, bleibt für die Motivation für den entscheidenden Umschwung, für den schweren Kampf um den Respekt der Familie, für das entbehrungsreiche Lauftraining und die ersten sportlichen Erfolge zu wenig Erzählzeit. Entsprechend schöpft
Lauf um Dein Leben das Potenzial seines spannenden Stoffes leider nicht vollständig aus. Durch die potenzielle Identifikationsfigur Andreas Niedrig, den Max Riemelt mit starker physischer Präsenz verkörpert, bietet der Film jedoch sinnvolle Möglichkeiten zur Auseinandersetzung mit dem Thema
Drogensucht sowie Ansatzpunkte zur Diskussion über Zukunftsgestaltung und nonkonforme Lebensentwürfe.
Autor/in: Reinhard Kleber, 22.04.2008
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