Auf trostlosen amerikanischen Hinterhöfen werfen sich Jugendliche in Glasscherben und schlagen mit stacheldrahtumwickelten Baseballkeulen aufeinander ein. "Backyard Wrestling" heißt diese subkulturelle Extremsportart, die der britische Regisseur Paul Hough in seinem verstörenden Dokumentarfilm The Backyard beschreibt. In zuvor abgesprochenen Ritualen werfen sich die Jugendlichen in Feuergruben, schlagen mit Neonröhren und Glasscheiben aufeinander ein oder verletzen sich mit Rasierklingen. Obwohl echtes Blut fließt, behaupten diese modernen Hinterhof-Gladiatoren in Macho-Attitüde gerne, nur so zu tun als ob. Wie bei den professionellen Wrestling-Shows im Fernsehen sollen die Zuschauer/innen überrascht, schockiert, erschreckt werden. Dabei träumen einige dieser Amateur-Wrestler zumindest insgeheim davon, den Sprung von der brotlosen Backyard-Show vor kleinem Publikum zum Profi-Job zu schaffen. – Nach einem Film über Wrestling-Frauen kam Paul Hough, Sohn des britischen Horrorfilmspezialisten John Hough, durch ein Home-Video von Teenagern in Kontakt mit der Backyard-Szene. Bemerkenswert an seiner filmischen Exkursion in das noch kaum bekannte subkulturelle Terrain ist der authentische Eindruck der gedrehten Bilder. Gerade weil er eine innere Distanz zum Geschehen wahrt und sich einer Wertung enthält, wirken seine Aufnahmen verstörend, werden Fragen nach dem Ausmaß und der Echtheit dieser Gewalt, ihrer Motivation, den gesellschaftlichen Ursachen und den Reaktionen der Umwelt aufgeworfen. Einige Erklärungsansätze liefern die Porträtierten selbst, so etwa wenn ein Junge die väterlichen Prügel als hilflose Ausdrucksform von Liebe interpretiert. Es gelingt dem Film, die scharfe Analyse einer radikalen Außenseitergruppe mit vielen Anregungen zum Nachdenken zu verbinden, gerade auch vor dem Hintergrund, dass die in 4.000 Vereinigungen organisierten Fans des professionellen Wrestlings das Internet zunehmend zum "sportlichen" Austausch nutzen.
Autor/in: Reinhard Kleber, 01.07.2004