"Wenn das Sparschwein voll ist, bin ich wieder da", verspricht die Mutter ihren Kindern Jin und Bin. Während sie in den USA den Vater ihrer Töchter sucht, bleiben die beiden mit ihrem Abschiedsgeschenk, dem Sparschwein, bei einer Tante in Südkorea zurück. Diese ist jedoch alkoholkrank und kümmert sich kaum um die sechsjährige Jin und ihre kleine Schwester. Die beiden beginnen geröstete Grashüpfer zu verkaufen, um möglichst viel Münzgeld zu sammeln. Als die Mutter trotzdem nicht zurückkehrt, werden die Mädchen auf den ärmlichen Bauernhof der Großeltern geschickt, wo sie neue Fürsorge erfahren.
Armut und Überforderung führen dazu, dass Mutter und Tante die Mädchen nicht bei sich behalten. Ihre Handlungsfähigkeit ist so eingeschränkt wie die Wohnungen, in denen sie leben. Die Schwestern verbringen viel Zeit draußen, wo ein Stück Brachland zum Spielplatz und Naturerlebnis wird. Die
Aneinanderreihung von Szenen in engen Innenräumen und Außenaufnahmen in der "weiten" Natur spiegeln das Wechselbad von Vernachlässigung, Trauer und unbeschwerten Kindheitsmomenten, dem die Mädchen ausgesetzt sind. Der Einsatz einer
Handkamera ermöglicht es, das Geschehen aus nächster Nähe und der begrenzten Perspektive der Mädchen zu filmen.
Nahaufnahmen der beiden legen ihre Gefühle offen, wohingegen erwachsene Figuren nur flüchtig im Bild erscheinen oder aus dem Off sprechen.
Anders als konventionelle Kinder- und Jugendfilme legt
Treeless Mountain den Schwerpunkt nicht auf Action und Spannung, sondern auf Beobachtung. Daher eignet sich der Film besonders gut, um visuelle Ausdrucksformen zu analysieren. Welche Bilder und Symbole verdeutlichen das Schicksal der Schwestern? So können beispielsweise der Kontrast zwischen urbanem und ländlichem Raum oder die Bedeutung von Bins Prinzessinnenkleid untersucht werden. Inhaltlich bietet sich
Treeless Mountain vor allem für ethische und politische Debatten an. Die Mutter der Regisseurin emigrierte ebenfalls ohne ihre Kinder in die USA, als diese zu jung waren, um ihren Schritt nachvollziehen zu können. Diese heikle Entscheidung kann im Unterricht kritisch diskutiert werden und stellt einen guten Ausgangspunkt dar, um das Phänomen des Wirtschaftsflüchtlings zu beleuchten, der vom Flüchtlingswerk der Vereinten Nation (UNHCR) nicht als Flüchtling anerkannt wird und in der Regel kein Recht auf Asyl erhält.
Autor/in: Marguerite Seidel, 29.02.2012
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