Manhattan aus der Fußperspektive. In keiner anderen Stadt der Welt sind so viele Menschen verschiedener Herkunft und Klassen auf den Beinen. Weil es keine Parkplätze gibt, gehen alle zu Fuß: Manager, Künstler, kleinere Angestellte, Jogger, Touristen, Fetischisten. In der Alltagshektik lassen sie sich noch nicht einmal durch die Ampelanzeige "Don't Walk" aufhalten. Ihre besondere Freude am Laufen zeigen die New Yorker beim Marathon. Zehntausende laufen, schlendern oder humpeln 26,2 Meilen, unabhängig vom Wetter. – Auf die Idee muss man erst einmal kommen: Hundertscharen von Menschen ohne Kopf zu filmen. Selten hat man so viele Beine und Schuhe gesehen wie in Walk, Don't Walk . Thomas Struck hat zwar viele Passanten auf ihr Verhältnis zu ihren Füßen angesprochen, deren O-Ton in der Regel aber nur aus dem Off eingeblendet. Dank dieser ungewöhnlichen, unkonventionellen Machart wirkt Walk, Don't Walk ästhetisch reizvoll. Thematisch allerdings gibt die Dokumentation in ihrer unübersehbaren Fülle nicht viel her. Struck sammelt nur, er wertet nicht aus, hinterfragt auch nichts. Straßenszenen, mit unruhiger Handkamera im MTV-Stil aufgenommen, wiederholen sich. Die Antworten vieler Interviewter wirken beliebig, teils banal. Provokante, fragwürdige Thesen seiner Protagonistin Dian Hanson, Pornoautorin eines Fetisch-Magazins, stehen widerspruchslos im Raum. Dabei hätten sie spannende Reibungspunkte für Kontroversen hergegeben.
Autor/in: Kirsten Liese, 01.01.2002