Für die Familie der 14jährigen Wanda soll der Umzug in die Schweiz nach einem Seitensprung des Vaters ein Neuanfang sein. Zunächst scheinen alle Zeichen dafür günstig. Das neue Haus mit Garten ist groß; der Sommer steht vor der Tür. Einfach ist die Umstellung für Wanda und ihre beiden jüngeren Geschwister aber keineswegs. In der Schule findet das Mädchen schwer Freunde, muss sich innerhalb der Mädchenclique ihrer Klasse behaupten und macht ihre ersten sexuellen Erfahrungen. Die Eltern sind währenddessen mit sich selbst beschäftigt, der Vorwurf einer neuen Affäre steht im Raum. Erst als Wandas kleiner Bruder plötzlich aufhört zu sprechen und sich in seine eigene Welt zurückzieht, sind die Erwachsenen alarmiert – aber hilflos. Entschlossen nimmt Wanda den Kampf um den Erhalt ihrer Familie auf.
Einfühlsam und genau beobachtet erzählt Friederike Jehns (
Weitertanzen, Deutschland 2008) zweiter Spielfilm vom Reifungsprozess eines jungen Mädchens, das mit der Trennung der Eltern fertig werden muss. Einerseits zaghaft aber auch voller Tatendrang versucht sie dem Zerfall der Familie entgegenzuwirken, erkundet ihre aufkeimende Sexualität und macht dabei nicht nur gute Erfahrungen. Dabei setzt
Draussen ist Sommer nicht auf große Dramatik. Die Geschichte entwickelt sich langsam und lässt den Zuschauenden Raum für eigene Interpretationen. So deuten kleine Details wie ein toter Vogel vorm Haus oder der Haarausfall von Wandas kleinem Bruder die verborgenen Konflikte symbolhaft bereits an. Der Film verzichtet auf Schuldzuweisungen und stellt Liebe sowie damit einhergehende Konflikte als selbstverständliche Herausforderungen des Lebens dar. Betont wird dieser positive Zugang durch eine atmosphärische, heitere
Musik und klare, lichtdurchflutete Bilder.
Eindringlich reflektiert
Draussen ist Sommer den Prozess des Erwachsenwerdens und den Kampf um eine intakte Familie. Die Trennung der Eltern und der Umgang der Geschwister damit könnte ein erster Anknüpfungspunkt sein, um mit Schülern/innen über familiäre Konflikte zu reden. Überdies bietet die Figur der Wanda mit ihren inneren Widersprüchen und Unsicherheiten gute Identifikationsmöglichkeiten, um mit Jugendlichen ihre eigenen Sehnsüchte und Ängste in Bezug auf das Erwachsenwerden zu thematisieren. Die Schilderung des sexuellen Übergriffs des Nachbarsjungen auf Wanda und ihre Reaktionen darauf sollten zudem Anlass zur Diskussion über die Autonomie der Schüler/innen bei ihren ersten eigenen sexuellen Erfahrungen sein. Auch die für gängige Sehgewohnheiten ungewohnte, offene Erzählweise sowie das Ende des Films geben Stoff zum produktiven Nachdenken.
Autor/in: Ingrid Beerbaum, 21.10.2013
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