Der dänische Entwicklungshelfer Anton lebt auf zwei Kontinenten, aber nach einem festen moralischen Prinzip: Sowohl als Familienvater wie auch als Mediziner in einem afrikanischen Flüchtlingslager bemüht er sich um sanfte Wege der Konfliktlösung. Seinem Sohn Elias ist er damit ein durchaus zweifelhaftes Vorbild: Ohne jede Gegenwehr erträgt Elias das Mobbing seiner Klassenkameraden. Erst als sein neuer Mitschüler Christian ihn verteidigt und den Anführer der Gruppe brutal zusammenschlägt, wird Elias in Ruhe gelassen. Als sein Vater während eines Heimaturlaubs wegen einer Nichtigkeit angegriffen wird und sich nicht wehrt, überredet Christian Elias dazu, die Gerechtigkeit in die eigene Hand zu nehmen. Die beiden Jungen schmieden einen gefährlichen Racheplan.
Wie in all ihren Filmen, beispielsweise in
Brothers – Zwischen Brüdern (Brødre, Dänemark 2004) verhandelt Regisseurin Susanne Bier auch diesmal komplexe ethische Fragen auf dem festen Boden der Alltagsrealität. Dass diese Realität nicht allzu symbolisch überhöht erscheint, liegt an der sensiblen Figurenzeichnung, bei der alle Generationen als gleichberechtigte Handlungsträger auftreten. Zeitweise stehen die durch ihre Familiensituation belasteten Söhne – Elias leidet unter der Ehekrise seiner Eltern und dem abwesenden Vater, Christian unter dem Tod seiner Mutter – im Mittelpunkt. Dann wieder wird Anton in Afrika mit Grausamkeiten konfrontiert, die sein Prinzip der Gewaltlosigkeit grundsätzlich in Frage stellen. Feinfühlige Dialoge, eine behutsame
Musikbegleitung und dezente
Nahaufnahmen bringen die inneren Kämpfe der Protagonisten/innen zum Ausdruck.
In der Diskussion um Gewalt und Gewaltlosigkeit wagt sich der Film bewusst auf unsicheres Terrain. Sein humanistisches Menschenbild ist nicht einfach vorausgesetzt, sondern wird im Verlauf der Handlung hart errungen. Diese Herangehensweise wirft viele ethische Fragen auf und fordert zur Debatte auf. Muss sich der Mensch immer zur Wehr setzen? Fördert das alttestamentarische Vergeltungsprinzip des "Auge um Auge", wie es Christian vertritt, nur die Gewaltspirale? Welche Erziehung ist die Richtige, wenn auf einem dänischen Schulhof offenbar die gleichen Regeln gelten wie in einem afrikanischen Krisengebiet? Im Unterricht kann auch versucht werden, das allzu versöhnliche Ende des Films umzuschreiben oder nach besseren, alternativen Mitteln der Konfliktlösung zu suchen.
Autor/in: Philipp Bühler, 16.03.2011
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