Im Frankreich des Jahres 1815 wird der Kettensträfling Jean Valjean, der 19 Jahre Haft wegen des Diebstahls eines Brotes verbüßte, frei gelassen. Der Vorbestrafte findet keine Arbeit und bestiehlt einen Bischof. Dank dessen Güte kann er sich ein neues Leben aufbauen und wird angesehener Fabrikbesitzer. Als seine Arbeiterin Fantine ins Unglück stürzt, verspricht Valjean an ihrem Sterbebett, sich ihrer Tochter Cosette anzunehmen. Auf der Flucht vor seinem ewigen Häscher, Polizist Javert, versteckt sich Valjean mit dem Kind in Paris. 1832 verliebt sich das junge Mädchen in den Studenten Marius, der mit seinen Kameraden/innen einen Aufstand plant. Im revolutionären Aufruhr trifft Valjean erneut auf Javert. Valjean rettet seinem Widersacher und auch Marius das Leben.
Das Bühnenmusical
Les Misérables, das auf Victor Hugos Romanepos
Die Elenden von 1862 basiert, wurde seit 1980 von 51 Millionen Menschen gesehen. Entsprechend opulent ist die Verfilmung von Regisseur Tom Hooper (
The King's Speech, Großbritannien, Australien 2010): In pittoresken Kulissen werden die Gegensätze von Armut und Grandeur des nachnapoleonischen Frankreichs veranschaulicht. Im Wechsel zwischen intimen Begegnungen und ausufernden Massenszenen, mit agiler
Handkamera gedreht, agiert ein hochkarätiges Ensemble. Das hochemotionale Drama wird weitgehend gesungen, und die Schauspieler/innen vertonen alle 49 Songs selbst. Das Besondere der Produktion besteht darin, dass der Gesang live auf dem Set aufgenommen (statt zuvor im Studio produziert) und in der Postproduktion lediglich die
Orchestermusik hinzugefügt wurde. Das "Herzblut" in den Arien wird hier spürbar, auch wenn die Stars nicht an Profi-Sänger/innen heranreichen.
Das menschliche Elend, das sozialrevolutionäre Pathos und die eingängigen Songs machen das Historienmelodram trotz seiner Länge auch für ein jugendliches Publikum zum Erlebnis. Durch die Schicksale von Valjean, Fantine und des kleinen Gassenjungen Gavroche werden soziale Missstände des frühen 19. Jahrhunderts und die im Film dargestellten Zusammenhänge zwischen Armut und Verbrechen deutlich. Fantine, die wegen ihres unehelichen Kindes ihre Arbeit verliert und sich prostituieren muss, kann beispielsweise als Diskussionsgrundlage über die Stellung von Frauen, heute und damals, dienen. Ein weiteres Thema etwa für den Ethikunterricht ist der christliche Erlösungsgedanke, nach dem Valjean durch Gnade und Vergebung zum guten Mensch und Märtyrer geläutert wird – im Kontrast zu seinem besessenen Jäger Javert mit seiner formalistischen Rechtsauffassung und seinem finsteren Menschenbild. Denkbar wäre auch ein medienübergreifender Vergleich mit Victor Hugos historischem Roman
Die Elenden, auf dem die Musicaladaption basiert.
Autor/in: Birgit Roschy, 14.01.2013
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