Die 14-jährige Anna kommt traumatisiert in ein Erziehungsheim im schweizerischen Wallis. Sie hatte zuvor auf der Straße gelebt und hilflos zusehen müssen, wie eine Gang von jugendlichen Zuhältern ihre einzige Freundin Leila ermordete. Nur mühsam kann sich das Mädchen im Heim an die harte Arbeit mit den Schafen in den Bergen und an die strenge, aber herzliche Art ihrer Pflegemutter gewöhnen, die klare Grenzen setzt. Allmählich ist zwar Besserung in Sicht, doch als Anna dahinter kommt, dass ein anderes Mädchen auf dem Hof etwas mit Leilas Tod zu tun hat, schwört sie Rache und bringt sich selbst in Gefahr.
Sebastian Kutzli entwickelt seine Geschichte zwar mit leichten dramaturgischen Schwächen, aber allemal glaubwürdig, dicht und mit sparsamen Mitteln. Seine Inszenierung verbindet überzeugend eine düstere Thrillerhandlung mit dokumentarisch wirkenden Szenen und bezeugt in dieser ungewöhnlichen Kombination einen ausgeprägten Stilwillen. Der Regisseur kann sich dabei auf ein Drehbuch verlassen, das sich an den realen Erfahrungen einer Sozialarbeiterin in einem ähnlichen Jugendheim orientiert. Annas prägende Erfahrungen mit sexueller Gewalt rekapituliert der Film in
Rückblenden.
Nahe Einstellungen fokussieren auf die Gesichter der Figuren und ihre Emotionen.
Mit einer psychisch instabilen Heldin in einer Extremsituation bietet
Puppe eine komplexe Identifikationsfigur. Annas anfänglicher Autismus, ihre Wut und ihre traumatischen Erinnerungen lassen Rückschlüsse auf ihr früheres soziales Umfeld, ihre schwierige familiäre Situation und emotionale Isolation zu. Ebenso sollte im Unterricht über die Situation von Annas Gegenspielerin Magenta diskutiert werden: Warum hat sie so starke Aggressionen aufgestaut und wird immer wieder gewalttätig? Der Film regt zudem an, die Chancen solcher Erziehungseinrichtungen zu erörtern: Welche Voraussetzungen müssen für eine erfolgreiche Resozialisierung gegeben sein? Warum fühlen sich die Sozialarbeiter/innen mitunter überfordert und welche Perspektiven können sie den Mädchen bieten? Weiterhin empfiehlt sich eine Analyse der filmischen Mittel – beispielsweise den gezielten Einsatz von Nahaufnahmen und Rückblenden – und ihrer Wirkung auf die Zuschauer/innen.
Autor/in: Kirsten Liese, 11.02.2013
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