Der Dokumentarfilm
Unter Menschen erzählt die Geschichte von vierzig Schimpansen, die Anfang der 1980er-Jahre illegal als Labortiere für die Aids-Forschung nach Österreich gebracht wurden. Nach jahrzehntelangem Leiden und einem Leben in völliger Isolation wurden die Versuche schließlich erfolglos abgebrochen. Die Affen blieben zurück: traumatisiert, verstört und aggressiv. Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass die Einzigen, zu denen die Tiere so etwas wie eine Beziehung aufbauen konnten, ihre Kerkermeisterinnen sind. Genau diesen Tierpflegerinnen aus dem Labor ist es aber auch zu verdanken, dass die Tiere heute in einem weltweit einmaligen Resozialisierungsprojekt wieder unter annähernd würdigen Bedingungen in artgerechten Gruppen leben können.
Herzstück des Films sind die Aufnahmen aus dem Affenrefugium, in denen die Kamera eine große Nähe zu den Tieren herstellt, dabei aber Glasscheiben und Gitter – also die Realität des Eingesperrt-Seins – immer im Bild behält. Dazu kommen Interviews mit den Pflegerinnen, aber auch mit den bis heute uneinsichtigen Verantwortlichen des Pharmakonzerns, die jede Schuld weit von sich weisen. Besonders eindrücklich im Gedächtnis bleiben die dazwischen
montierten Fotos und Archivmaterialien aus der Laborzeit der Affen. In den alten Videoaufnahmen spürt man förmlich die Unsicherheit, mit der sich zwei Affen nach Jahrzehnten der Isolation erstmalig wieder Aug in Aug in einem Raum gegenüber stehen. Nach kurzem Zögern geben sie sich einen Ruck und schließen sich schließlich – ganz vorsichtig – in die Arme. So verharren sie minutenlang, still umschlungen, als wollten sie sich nie mehr loslassen.
Unter Menschen ist kein klassischer Tierfilm. Die Schimpansen und ihre Leidensgeschichte sind vielmehr das Exempel, an dem die die großen moralischen Herausforderungen unserer menschlichen Zivilisation statuiert werden: Schuld, Verantwortung und Wiedergutmachung. Am Beispiel der Tierpflegerinnen wird sehr deutlich, wie ambivalent die Rolle des Menschen in diesen Prozessen ist. Der Film stellt die Frage, mit welchen Methoden und zu welchem Zweck sich der Mensch als Herr über die Tiere erheben darf. Rechtfertigt ein wichtiger Zweck wie die Erforschung von Medikamenten das Mittel, beispielsweise grausame Tierversuche? Welche Rolle spielen die Medien für die Wahrnehmung dieser Themen? Angesichts dieser durchaus universellen Themen eignet sich der Film sehr gut für eine Inhaltsanalyse in den Fächern Ethik, Religion und Sozialkunde, darüber hinaus kann er im Geografie- oder Biologieunterricht Themen wie Arten- oder Tierschutz illustrieren.
Autor/in: Luc-Carolin Ziemann, 20.03.2013
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