Das Interview führte Margret Köhler.
Volker Schlöndorff (Mitte) mit Bibiana Beglau bei den Dreharbeiten
Wie kommt es, dass Sie dieses brisante Thema erst im Jahr 2000 verfilmen?
Schon 1993 fingen wir mit dem Drehbuch an. Bei dem Thema Terroristen und DDR winkte jeder ab. Zwischendurch drehte ich
Der Unhold und
Palmetto in Amerika. Aber Wolfgang Kohlhaase und ich haben uns noch einmal zusammengesetzt und geschrieben, sind auf Fördertingeltour gegangen. Wieder hagelte es Ablehnungen – bis sich der MDR engagierte.
Warum gehen Sie kaum auf Träume und Utopien der Ex-Terroristen ein?
Die kann man nicht im Film darstellen. Wir wollten einen Film über eine Aussteigerin in der DDR drehen und haben die Vorgeschichte zur Geschichte nachgeliefert. Diesen Traum von einer gerechten Welt spürt man durch den Menschen, da benötigt man keine ideologischen Debatten. Da würden die Leute schreiend aus dem Kino rennen.
Volker Schlöndorff (2. v. l.) bei den Dreharbeiten zum Film
Ihre Hauptfigur lässt trotz eines verpfuschten Lebens kaum Trauer spüren ...
Sie hat Härte gelernt. Die Terroristen haben nicht im Plattenbau gesessen und Krokodilstränen geweint, sie haben versucht, sich in dem neuen Leben zurechtzufinden. Die Trauer spürt man nur in wenigen Momenten.
Auch in Ihrem früheren Film Die Ehre der Katharina Blum ging es um Terrorismus. Sie wurden damals sogar als Sympathisant an den Pranger gestellt. Was verbindet die beiden Filme?
In beiden Filmen gebe ich den Frauenfiguren eine Würde, denunziere sie nicht. Ähnlich sind sie sich in ihrer Unbeugsamkeit und Einsamkeit. Ob ich nun in der Platte in Gera wohne oder im Einzimmerappartement in einem Kölner Wohnturm, das macht keinen Unterschied. Rita Vogt reißt sich mit preußischer Disziplin zusammen. Wenn sie schon nicht die Welt erlösen konnte, dann wenigstens die Arbeitskollegin vom Alkohol. Sie ist jemand, der sich nie um sich selbst, sondern immer um andere kümmert.
Während der Berlinale drohte Ihnen die Edition Nautilus mit Klage wegen Verletzung der Urheberrechte, warf Ihnen vor, sich in großen Teilen auf die Autobiografie der ehemaligen RAF-Terroristin Inge Viett zu stützen. Inzwischen haben sich die Fronten beruhigt und Inge Viett hat Ihnen einen Brief geschrieben. Wie kam es überhaupt zu dieser misslichen Angelegenheit?
Drehbuchautor Wolfgang Kohlhasse hat Inge Viett 1993 im Gefängnis besucht, da gab es ihre Biografie noch gar nicht. Dann entschlossen wir uns für die Geschichte von Susanne Albrecht. Nach Fertigstellung des Drehbuches kamen wir wieder auf Inge Viett zurück, nicht auf das Buch, sondern auf ihr Leben und auf das RAF-Mitglied Silke Maier-Witt. Irgendwann merkten wir, wir müssen uns frei machen und eine fiktive Figur erfinden. Wir haben Inge Viett das fertige Drehbuch geschickt und sie gefragt, ob sie mit uns darüber diskutieren möchte. Sie lehnte ab, weil ihr die ganze Haltung zu unpolitisch war. Es kam nicht zur Zusammenarbeit. Jetzt freue ich mich, dass der juristische und materielle Teil erledigt ist, umso offener können wir nun in der Sache ohne jede persönliche Aversion unterschiedlicher Meinung sein.
Warum verzichteten Sie bei der Besetzung auf bekannte Namen?
Es war für mich auch eine Frage des Respekts für die Vorbilder. Prominente Schauspieler verbindet man leicht mit bestimmten Rollen. Ich glaube, diese jungen und frischen Gesichter transportieren die Geschichte auf eine neue Weise.
Wie stehen Sie zu dem Etikett "typisch deutsch" für Ihren Film?
Die Geschichte ist typisch deutsch, die Erzählweise eher am französischen Kino der Nouvelle Vague orientiert. Wenn deutsch, dann in dem Stil, wie wir vor 20 Jahren Filme gemacht haben, ohne Glanz, Glamour und Glätte. In Machart und Ästhetik hat
Die Stille nach dem Schuss internationalen Standard.
Es geht in Ihrem Film um den Verlust von Utopien. Welche Träume haben Sie noch?
Filme zu machen, Menschen darzustellen und vor allen Dingen nicht locker zu lassen, sich immer wieder einzuklagen und nicht abzufinden mit der Welt, wie sie ist. Sonst hat man keine Perspektive mehr.