Im Rahmen der Wiener Festwochen 2000 realisierte der für seine Provokationslust bekannte Regisseur Christoph Schlingensief im touristischen Zentrum von Wien eine einzigartige interaktive Installation: Inspiriert vom Hype um die Reality-TV-Show "Big Brother" ließ das 'Enfant terrible' der deutschen Kulturszene vor der Wiener Oper einen Container aufstellen, in denen sechs Tage lang zwölf Asylbewerber/innen wohnten. Der Container wurde mit fremdenfeindlichen Wahlkampfplakaten beklebt und jeden Morgen mit rassistischen Ansprachen des rechtspopulistischen FPÖ-Politikers Jörg Haider beschallt. Unter dem Motto "Ausländer raus!" konnte das Publikum jeden Tag im Internet zwei der zwölf Container-Insassen zur (symbolischen) 'Abschiebung' benennen. Mehr als 800.000 Zugriffe wurden auf der Website www.auslaenderraus.at registriert. Vor Ort beteiligten sich Tausende von Passanten an erregten Diskussionen über die Ausländerpolitik und wurden zu Mitspielern in Schlingensiefs satirischer Inszenierung. Der deutsch-österreichische Internet-TV-Anbieter Webfreetv.com übertrug das Spektakel mit mehreren Kameras ins Internet, einschließlich der Tumulte, die bis zur Besetzung des Containers durch aufgebrachte Demonstranten und zu Brandstiftungsversuchen reichten. Zur Steigerung der Publicity-Wirkung ließ der Medien- und Vermarktungsprofi Schlingensief im Dezember 2000 im Suhrkamp-Verlag ein Buch publizieren, das dieses Polit-Happening dokumentiert und auf einer CD-ROM auch die Internet-Aktivitäten festhält. – Da das Geschehen nicht zuletzt von den Bildern lebte, lag eine filmische Verwertung nahe. So machte sich der Wiener Aktionskünstler und Avantgardefilmer Paul Poet ans Werk, der bereits als Projektleiter die Online-Aufführung dirigiert hatte. Seine formal konventionelle und chronologisch angeordnete Filmchronik kommt als ruppiges Kaleidoskop aus Dokumenten der Aktion, Statements von Beteiligten, Freunden und Gegnern, improvisierten Momentaufnahmen und nachträglichen Kommentaren von Politikern, Künstlern und anderen prominenten Zeitgenossen von Luc Bondy bis Peter Sloterdijk daher. Die Provokationswirkung der riskanten Manifestation, die gegen die erstmalige Beteiligung einer rechtsradikalen Partei an der Regierung eines EU-Mitgliedsstaates protestieren sollte, ist in der Zwischenzeit etwas erlahmt, zum einen weil wegen rechtlicher und organisatorischer Probleme rund zweieinhalb Jahre vergangen sind, zum anderen weil die längst 'entzauberte' FPÖ bei der jüngsten Parlamentswahl 2002 eine schwere Niederlage erlitten hat und somit das von Schlingensief/Poet avisierte Bedrohungspotenzial vermindert wurde. Zwar mangelt es der Dokumentation an kritischer Distanz zur diffusen Zielsetzung des egozentrischen Container-Maestros, als weltweit vermutlich erstes Multimedia-Spektakel mit außergewöhnlicher politischer Brisanz geht Ausländer raus! aber wohl in die Film- und Kunstgeschichte ein. Als radikales Experiment der demokratischen Diskussion weist es über das Tagesgeschäft hinaus.
Autor/in: Reinhard Kleber, 01.01.2003