Unabhängig voneinander reisen zwei Menschen in die chinesische Stadt Fengjie, die durch das Drei-Schluchten-Staudammprojekt dem Untergang geweiht ist. Der Bergmann San-ming Han möchte dort seine Ehefrau, die ihn 16 Jahre zuvor verlassen hatte, und seine ihm nahezu unbekannte Tochter wieder finden. Die Krankenschwester She-hong Guo will endlich Klarheit über ihren Ehemann erhalten, der sich nicht mehr bei ihr gemeldet hat, seit er vor zwei Jahren nach Fengjie gezogen war, um dort als Verkaufsleiter zu arbeiten. Mit Hilfe anderer Menschen finden sowohl Han wie auch Guo die Gesuchten, müssen am Ende aber erkennen, dass die Zukunft neue Herausforderungen für sie bereithält.
In seinem fünften Spielfilm nimmt der international erfolgreiche chinesische Filmemacher Jia Zhang-Ke die Geschichte der beiden Protagonisten/innen zum Anlass, ein Porträt der "guten Menschen von den drei Schluchten" – so die wörtliche Übersetzung des chinesischen Originaltitels – zu zeichnen. Zugleich beschreibt er die schwierigen Lebensbedingungen in der südchinesischen Provinz in Zeiten gesellschaftlichen und technologischen Umbruchs. In einer kunstvollen Bildgestaltung werden authentische Bilder der bereits verlassenen Gebäude und Innenansichten, die wie Stillleben wirken, mit der dokumentarisch festgehaltenen Zerstörung ganzer Gebäudekomplexe verbunden. Dazwischen sind mehrfach surreale Einstellungen von großer Symbolkraft eingestreut – beispielsweise wenn plötzlich ein Desinfektionsteam in Schutzanzügen inmitten der Ruinen auftaucht oder ein Seiltänzer zwischen zwei Häuserruinen balanciert.
Der Erzählstil von
Still Life ist weniger auf eine dramatische Handlungsführung ausgerichtet, sondern auf Beobachtungen und präzise Stimmungsbilder. Dies erfordert gerade von jüngeren Zuschauenden die Bereitschaft, sich auf die ungewohnte Ästhetik einzulassen. Dieser durchaus sinnliche, mitunter aber etwas irritierende Zugang bietet allerdings vor allem für die Unterrichtsfächer Erdkunde und Sozialkunde eine besondere Chance der Auseinandersetzung mit den tief greifenden Auswirkungen des Staudamm-Projekts sowie den hierzulande nahezu unbekannten Lebensbedingungen in der südchinesischen Provinz.
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Autor/in: Holger Twele, 10.08.2007