Paul Thomas Andersons Filmepos beleuchtet den Beginn des Ölbooms in Kalifornien. Mit dem Porträt eines skrupellosen Ölbarons, dessen Aufstieg er von 1898 bis in die 1920er-Jahre nachzeichnet, schafft Anderson auch das Sittenbild eines Landes, das in seinem optimistischen Pioniersgeist wie in seiner gnadenlosen Gier anziehend und abstoßend zugleich wirkt. Im Zentrum steht der Selfmademan Daniel Plainview, ein Unternehmer unbekannter Herkunft, der in einem tiefen Minenschacht nach Silber schürft und dabei auf eine Ölquelle stößt. Damit legt er den Grundstock seines Vermögens. Nach einem Tipp für ein viel versprechendes Fördergebiet sucht er mit seinem kleinen Adoptivsohn H.W, der ihm wie ein Schatten folgt, die arme, gottesfürchtige Farmerfamilie Sunday auf, um ihr zum Schnäppchenpreis ihr Land abzuschwindeln. Deren Sohn Eli, ein fanatischer Laienprediger, will jedoch seinen Anteil, um eine Kirche zu errichten. Und während Daniels Ölgeschäft prosperiert, wird der geltungsbedürftige Eli, der als theatralischer Wunderheiler eine Gemeinde um sich sammelt, zu seinem Gegenspieler. Als H.W. durch einen Unfall taub wird, verstößt ihn Daniel – und damit den einzigen Menschen, für den er so etwas wie Zuneigung empfindet.
Die Handlung orientiert sich lose an dem sozialkritischen Roman
Oil! (1927) des amerikanischen Schriftstellers Upton Sinclair. Anderson, der gefeierte Regisseur von
Magnolia (USA 1999), interessiert sich jedoch weniger für Gesellschaftskritik als für die Janusköpfigkeit des Erfolgs – personifiziert in einem Mann, der zum verstörenden Ende seinen sehnlichsten Wunsch verwirklicht hat: "Ich will soviel Geld verdienen, dass ich mich von anderen Menschen fernhalten kann". Daniel Day-Lewis stellt den Öl-Tycoon als Besessenen dar, der sich vom planenden Rationalisten zum Psychopathen wandelt, vom oft zärtlichen Vater zum Mörder und bösartigen Menschenfeind.
Die surrealen, von Fördertürmen gespickten Landschaften mit ihrem wie Höllenfeuer brennenden schwarzen Gold und der verfremdende Soundtrack verleihen der Geschichte eine symbolische Dimension. Obwohl die Komplexität und filmische Umsetzung des Epos jugendlichen Sehgewohnheiten zum Teil zuwiderläuft, bietet
There Will Be Blood für die filmpädagogische Arbeit einige Anknüpfungspunkte. Als farbige Geschichtsstunde und Wirtschaftslektion in angewandtem Kapitalismus könnte das Drama etwa Diskussionen anregen, inwieweit materieller Fortschritt einer rücksichtslosen Rohstoffausbeutung bedarf. Und als Identifikationsfigur bietet sich nicht nur Sohn H.W. an, der Hoffnung auf eine Versöhnung von Egoismus und Mitmenschlichkeit macht. Auch der monströse Plainview mit seiner schwarzen Seele wirft fortwährend moralische Fragen auf und ist in seiner Shakespeare’schen Zerrissenheit zutiefst menschlich.
Autor/in: Birgit Roschy, 13.02.2008
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