Veit Harlan gilt mit seinem antisemitischen Propagandafilm
Jud Süß (D 1940), der jüdische Menschen offen diskreditierte, neben Leni Riefenstahl als der bekannteste Filmemacher des Nationalsozialismus. Felix Moellers Dokumentation ist ein sehr persönlicher Versuch der Annäherung an den umstrittenen Regisseur, der wegen dieses Films nach dem Zweiten Weltkrieg mehrfach vor Gericht stand. Nicht Filmhistoriker/innen sondern die Mitglieder der weit verzweigten Familie Veit Harlans kommen in erster Linie zu Wort. Erstaunlich offen sprechen die Kinder, Enkel und Enkelinnen, Nichten und Neffen über die Verantwortung, die Veit Harlan durch diesen Film für die NS-Verbrechen an der jüdischen Bevölkerung trägt, sowie die daraus resultierenden Konsequenzen für ihr eigenes Leben.
Der sehr persönliche Charakter des Films wird durch eine gezielte Kameraführung unterstrichen. Die Interviewten sind oft in
Nahaufnahme zu sehen und bereits in den Gesichtsausdrücken spiegeln sich deutlich die unterschiedlichen Positionen zwischen schmerzhaften Erinnerungen, engagiertem Interesse an einer Aufarbeitung und deren Abwehr. In der filmpädagogischen Arbeit mit Jugendlichen kann dabei die Wirkung der Kamera im Kontrast zur
Montage analysiert werden. Denn die unterschiedlichen Ansichten und Meinungen wertet Moeller nicht: Mittels Montage und geschickter Dramaturgie verbindet er Szenen aus
Jud Süß mit Auszügen aus Harlans Melodramen
Opfergang (D 1944) und
Kolberg (D 1945), sowie archivierte Interviews aus den frühen Nachkriegsjahren mit Harlans zweiter Ehefrau, der Schauspielerin Kristina Söderbaum, und Super 8-Filme aus dem Familienleben. Anhand dieser komplexen Erzählelemente sind die Zuschauenden aufgefordert, sich selbst ein Bild von der fatalen judenfeindlichen Wirkung des Films
Jud Süß zu machen, sich aber auch mit der anhaltenden Wirkung der NS-Geschichte auf jüngere Generationen auseinanderzusetzen. Die kontroverse Rezeption des Films
Jud Süß und Fragen nach dem Umgang mit dem Erbe des Nationalsozialismus in der bundesrepublikanischen Gesellschaft bieten zusätzliche Diskussionsansätze in der filmpädagogischen Arbeit.
Autor/in: Kirsten Liese, 20.04.2009
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