Sexistische Kritzeleien und eindeutige verbale Anspielungen: Irgendwann ist für Josey die Schmerzgrenze erreicht. Die junge Frau ist gerade aus einer gewalttätigen Ehe geflohen und will mit ihren Kindern ein neues Leben anfangen. Die befreundete Gewerkschaftsvertreterin Glory vermittelte ihr einen Job im Bergbau, in dem nur wenige Frauen beschäftigt sind. Die Kollegen haben Angst vor weiblicher Konkurrenz, die ihrer Meinung nach lieber das Haus hüten sollte. Während ihre unsicheren Kolleginnen sexuelle Übergriffe stillschweigend hinnehmen, ist es wiederum Josey, die sich allmählich wehrt und einen Prozess anstrengt, als sie bei ihrem Vorgesetzten auf taube Ohren stößt. Im Gerichtssaal geschieht nach zähen Verhandlungen ein kleines Wunder: Joseys Mitarbeiterinnen, die bislang geschwiegen hatten, stehen nacheinander auf und solidarisieren sich mit der Heldin.
Die Grundidee des Films beruht auf einer wahren Begebenheit: 1984 schufen prozessierende Arbeiterinnen einen Präzedenzfall, der die Gesetzgebung bei sexueller Belästigung am Arbeitsplatz bahnbrechend veränderte. Auf mehreren Ebenen schildert die neuseeländische Regisseurin Niki Caro differenziert den schwierigen Weg zur Emanzipation. So stempelt sie Männer keineswegs pauschal als Übeltäter ab, sondern bringt durchaus ambivalente Charaktere ins Spiel: Joseys Vater etwa gibt sich zu Beginn zwar chauvinistisch und zeigt kein Verständnis für seine arbeitende Tochter, entdeckt gegen Ende aber seine Vaterliebe und hält vor versammelter Betriebsversammlung rührend zu ihr. Anwalt Bill wiederum lehnt den vermeintlich hoffnungslosen Fall zunächst ab, übernimmt dann jedoch engagiert die Verteidigung. Der Film ist psychologisch differenziert aufgebaut. Die wachsende Vereinsamung der Heldin spiegelt sich in der erdrückenden Atmosphäre in der Mine und in der starren, kalten Schönheit der zerklüfteten Schneelandschaften.
Autor/in: Kirsten Liese, 19.10.2006