Vom jugendlichen Außenseiter in der konservativen Kleinstadt Kutztown in Pennsylvania hin zum weltweit gefeierten Popartkünstler, der im Alter von 31 Jahren an den Folgen von Aids stirbt: Anhand von verschiedenen zeit- und kunstgeschichtlichen sowie biografischen Stationen rekonstruiert Christina Clausen in ihrer
Dokumentation das kurze und äußerst produktive Leben des US-amerikanischen Malers und Graffitikünstlers Keith Haring. Aus der New Yorker Undergroundszene kommend verortete er sein Schaffen unter dem Motto "Kunst ist für alle"; seine ikonografischen Motive zieren heute weltweit Wände, Galerien, Pins, Postkarten und T-Shirts.
Ästhetisch orientiert sich das Porträt
Keith Haring dabei an dem genretypischen Zugang, das Werk des Künstlers über seinen zeitgenössischen und biografischen Kontext aufzufächern. Im Falle von
Keith Haring öffnet dieser Ansatz eine Dimension, die den bekannten Werken eine unerwartete Tiefe und Nachdenklichkeit attestiert. Dabei wechseln sich Interviewpassagen mit Harings Familienmitgliedern und Weggefährten/innen mit Archivaufnahmen des Künstlers bei der Arbeit ab, führen lange
Kamerafahrten über die Bilder oder
Großaufnahmen aussagekräftiger Details an Harings Werk heran. Als roter Faden dient ein Tonband-Interview, das Keith Haring ein Jahr vor seinem Tod dem Journalisten John Gruen gab. Die Situierung seiner Kunst im Bereich der Popkultur wird im Film selbst durch starke Anleihen aus der Videoclipästhetik betont, die sich vor allem in schnellen, eher assoziativen
Schnittfolgen und der fast durchweg vorhandenen
Musikunterlegung von Industrial über HipHop und 1980s-Pop äußert.
Keith Haring eignet sich vor allem zur Thematisierung kunstgeschichtlicher wie auch gesellschaftspolitischer Themen. Die im Film erläuterten Einflüsse Harings aus der New Yorker Graffiti- und Musikszene und seine Freundschaft zu Andy Warhol und Yoko Ono bieten Ansätze, über die Ästhetik dieser Kunstformen zu sprechen. Ausgehend von der Beobachtung, dass Haring in fast jeder Einstellung ein mit seinen Bildern bedrucktes T-Shirt trägt, lässt sich über die grundsätzliche Frage, was Kunst ist und die damit verbundenen Diskurse der Hoch- und Popkultur, wie auch über den Ort der Kunst und ihre Kommerzialisierung debattieren. Darüber hinaus bietet der Film ein anschauliches und lebendiges Porträt gesellschaftspolitischer Veränderungen in den USA. Im Mittelpunkt steht dabei die New Yorker Boheme der 1980er-Jahre, die durch das Aufkommen von Aids und dem Beginn der konservativen Ära unter Präsident Ronald Reagan eine Zäsur erlebte.
Autor/in: Alejandro Bachmann, 22.07.2009
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