1944 verlässt Allen Ginsberg sein Elternhaus in New Jersey um an der New Yorker Columbia University Literatur zu studieren. Der schüchterne "Freshman" verfällt auf den ersten Blick dem schönen und rebellischen Kommilitonen Lucien Carr. "Lu" macht "Ginzy" mit der intellektuellen Clique rund um William S. Burroughs und Jack Kerouac bekannt. Zum Mentor der "jungen Wilden", deren literarische Gehversuche von Drogen, Partys und Sex angeheizt werden, wird Luciens älterer Liebhaber, Ex-Professor David Kammerer. Doch Kammerers Obsession für den charismatischen Studenten kennt keine Grenzen. Als Lucien sich von ihm lösen will, kommt es zu einer tragischen Bluttat.
Ausgehend von wahren Begebenheiten erzählt Debütregisseur John Krokidas die Genese des späteren "Beat"-Dreigestirns Allen Ginsberg, William S. Burroughs und Jack Kerouac, das die Literatur revolutionierte. Zugleich Krimi- und Coming-Out-Drama, beginnt der Film mit einem Todesfall, dessen Vorgeschichte in einer langen
Rückblende aufgeschlüsselt wird. Zunächst geschieht das meist aus der Perspektive von Allen Ginsberg, dem späteren Kultautor des Gedichtes "Howl". Doch der Fokus verschiebt sich bald auf den schillernden Lucius Carr. Mit der Bebilderung der New Yorker Bohème bietet der Film dabei anschauliches Zeitkolorit. In der Darstellung erster Drogen- und Sexerfahrungen arbeitet Krokidas mit
Überblendungen,
Zeitraffern und Zeitlupen und lässt etwa im Jazzclub das Bild einfrieren.
Musikalisch wagt er durch die Unterlegung von Schlüsselszenen mit moderner Rockmusik einen Anachronismus. Doch insgesamt ist dieses Porträt unkonventioneller Jungliteraten, auch wegen der meist dezent gezeigten homosexuellen Annäherungen, konventionell inszeniert.
Das Drama über die Sturm- und Drangzeit jener Autoren, die später zu Ikonen der "Beat Generation" wurden, ist durch seine literarischen Verweise besonders für den Deutsch- und Englisch-Unterricht geeignet. Von W.B. Yeats über Walt Whitman, Rimbaud und Henry Miller nehmen sich die rebellischen Studenten besonders jene Schriftsteller zum Vorbild, die in der biederen Nachkriegszeit auf gesellschaftlichen Widerstand stießen. Diskutieren ließe sich, wie dieser poetische Aufbruch, in dem mit "schmutzigen" Vokabular und freien Rhythmen das Establishment herausgefordert wird, Hand in Hand geht mit der inneren und äußeren Befreiung der Charaktere. Ein Ausgangspunkt hierfür ist der metaphernreiche Filmtitel: eine literarische Regel, nach der man zuerst jene Sätze streichen muss, an denen man besonders hängt. Im Gegensatz dazu zielt das Mantra der Jungliteraten, "First thought best thought", auf den unmittelbaren, unverfälschten Ausdruck innerster Impulse und wird zum Werkzeug gegen Repression in jedweder Form. So bietet sich der Film auch dazu an, das Klischee “verstaubter Literatur” zu hinterfragen und, beispielsweise im Vergleich mit Rap-Literatur und "Poetry Slams" die Schnittstellen zwischen Poesie und Leben zu erforschen.
Autor/in: Birgit Roschy, 29.01.2014
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