Der Autor Torsten Schulz (u. a.
Boxhagener Platz und "Nilowsky") ist Professor für Dramaturgie und Pro-Dekan der Filmuniversität Babelsberg. Kinofenster sprach mit ihm über Voraussetzungen eines Studiums an der Filmuniversität.
Kinofenster: Bisher wurde der Spielfilm in der Schule immer als Illustration von Literatur verstanden. Dies ändert sich mit den neuen Rahmenlehrplänen, die Film als eigenständiges Medium begreifen. Warum hat das so lange gedauert?
Torsten Schulz: Ich weiß es ehrlich nicht. Einerseits ist es schätzenswert, wenn Literatur in der Schule eine große Rolle spielt, allein deshalb, weil immer weniger gelesen wird. Aber vielleicht wird auch immer weniger gelesen, weil so viel Literatur im Unterricht vermittelt wird. Sicherlich liegt es am Beharrungsvermögen von Strukturen und auch Entscheidern im Zusammenhang mit einer Tradition, die eben stark literaturfokussiert ist. Film dagegen ist immer noch eine relativ junge Kunst, wenngleich immerhin auch schon über 100 Jahre alt. Über Film hinaus würde ich dafür votieren, Medienunterricht in den Schullehrplänen stark zu verankern, und das ohne die Literatur zu beschränken. Überhaupt sollte Kunst und Kultur stärker stattfinden, nicht zuletzt als Moment von Lebensbildung.
Kinofenster: Was muss ein junger, filmaffiner Abiturient mitbringen?
Torsten Schulz: Ganz wichtig ist Lebenserfahrung. Er sollte sich umtun im Leben, in der Gesellschaft und Lebenserfahrung sammeln. Diese ist essentiell, um Erzählen zu können. Wir haben tatsächlich sehr viele sehr junge Bewerber. Vereinfacht gesagt: Sie haben Abitur gemacht, am Gymnasium für die Schülerzeitung geschrieben und wollen nun richtig durchstarten. Aber viele scheitern mit 18,19 Jahren am System einer Hochschule oder Universität. Es wird ein hohes Maß an Selbständigkeit gefordert. Neben der Wahl der Projekte geht es um die Wahl der Arbeitspartner. Die erfordert soziale Kompetenz und Konfliktfähigkeit. Daran scheitern viele junge Studenten. Ich denke, wenn man mit Mitte 20 Drehbuch/Dramaturgie oder Regie studiert, ist das besser als mit 18. Bewerber, die berufliche und überhaupt mehr Lebenserfahrung mitbringen in Kopplung mit erzählerischem Talent und Elan, sind durchaus geeigneter.
Kinofenster: Hat man die Chance Film zu studieren, wenn nicht vorher so eine grundlegende Bildung der Filmanalyse stattgefunden hat?
Torsten Schulz: Ja, durchaus! Ich kann das ganz konkret sagen: In unserem Aufnahmeverfahren für ein Studium Drehbuch/Dramaturgie fordern wir drei Einreichungen: einen filmischen Entwurf, Prosa- und Filmanalyse. Über die Jahre hat sich herausgestellt, dass die Filmanalyse meist ziemlich schwach ist. Aber das ist nicht schlimm. Im Vordergrund steht das erzählerische Vermögen und das, was man analytisch gesehen als Kompetenz besitzen sollte, kann man tatsächlich erlernen. Es gibt Autoren, die sehr gut schreiben können und deren analytisches Vermögen nicht so hoch ist. Das ist kein Grund zu scheitern.
Interview: Ronald Ehlert
Website der Filmuniversität Babelsberg