Die Deutsche Film- und Medienbewertung zeichnet
Freistatt von Marc Brummond (Filmbesprechung vom 25. Juni 2015) mit dem Prädikat "besonders wertvoll" aus. – Deutschland, 1968. Der 14-jährige Wolfgang erleidet in einem Heim für schwer erziehbare Jungen ein schreckliches Martyrium. Sein herrischer Stiefvater hat ihn dorthin abgeschoben, die Mutter war zu schwach, es zu verhindern. In der Einrichtung herrscht ein Klima von Unterdrückung und permanenter Angst. Unter den Jungen gibt es eine Hierarchie, in die sich Wolfgang nicht einfügen will. Tagsüber müssen sie im Moor Zwangsarbeit verrichten und schon bei geringfügigen Vergehen drohen ihnen Schläge und Essensentzug. Trotz der drakonischen Strafen versucht Wolfgang, aus der Anstalt auszubrechen. Ihm gelingt die Rückkehr zu seiner Mutter, doch die brutale Behandlung hat tiefe Spuren hinterlassen.
In der Jurybegründung heißt es: "Dem Regisseur Marc Brummund gelingt es, die erst vor wenigen Jahren bekannt gewordenen Verbrechen gegen Jugendliche, die in der BRD bis in die 1970er Jahre in staatlichen und kirchlichen Einrichtungen der Jugendfürsorgeerziehung verübt wurden, in einem packenden, im Jahr 1967 spielenden Film zu verarbeiten, der deutliche Anleihen beim Genre des Gefängnisdramas, speziell bei "Chain Gang"-Filmen, nimmt. Seine Hauptfigur, Wolfgang ist entsprechend auch ein Unbeugsamer (wie Paul Newman 1967 im gleichnamigen Film), der sich nicht brechen lassen will, der immer wieder aufbegehrt. Man könnte dem Film leicht vorwerfen, sich an einem derartigen Genrekino zu orientieren, das mit wirkungsvollen Konventionen arbeitet, um den Zuschauer zu emotionalisieren. Doch kommt es letztlich darauf an, ob dies einem Film gelingt. Das ist bei
Freistatt der Fall. Der Film ist brillant fotografiert und wirkt atmosphärisch sehr dicht. Louis Hofmann verkörpert Wolfgang mit einer beängstigenden Intensität und auch alle anderen schauspielerischen Leistungen sind auf höchstem Niveau. Die Dynamiken zwischen den Jungs im Heim, die wir natürlich aus anderen Genrefilmen kennen, haben dadurch im Detail immer ein kleines Surplus, oft findet sich eine Nuance der Inszenierung, die über das Solide hinausgeht. Von diesen Qualitäten abgesehen, bemüht sich der Film aber auch um eine differenzierte Darstellung. So werden die Erzieher nicht nur als die Bösen charakterisiert. Vielmehr wird gezeigt, wie auch hier psychischer Druck von Oben stattfindet. Auch das Verhältnis Wolfgangs zu seiner Mutter ist interessant gestaltet, sehr eng, fast zu eng, und auch sie scheint sich nicht gegen ihren Mann wehren zu können, fügt sich in ihr Schicksal und besiegelt damit das ihres Sohnes. Was
Freistatt nicht zuletzt zeigt, ist ein System, das nicht funktioniert, das noch allzu sehr auf den Sockeln eines überwunden geglaubten deutschen Systems gebaut ist und dadurch Gewalt und Sadismus produziert. Auch diesen Bezug stellt der Film durchaus her und auch dabei geht er sehr zurückhaltend und in keiner Weise plakativ vor.
Freistatt ist ein wichtiger Film, der nicht zuletzt in schulischen Institutionen als Lehrmaterial verwendet werden sollte. "
Eine vollständige Liste aller ausgezeichneten Filme befindet sich auf der Website der FBW.
www.fbw-filmbewertung.com