England in der ersten Hälfte 19. Jahrhunderts: Der neunjährige Waisenjunge Oliver Twist lebt unter menschenunwürdigen Bedingungen im Armenhaus. Als er von der Gemeinde an einen Totengräber verkauft wird, nutzt er die Gelegenheit, um zu fliehen und in London sein Glück zu suchen. Dort gerät er in die Fänge des Bandenchefs Fagin, der ihn zum Taschendieb ausbilden möchte. Oliver muss erst noch einige Abenteuer bestehen, bei denen er die Schattenseiten der viktorianischen Klassengesellschaft kennen lernt, bevor sich ihm dank der Hilfe mitfühlender Menschen die Chance auf ein besseres Leben eröffnet.
Roman Polanski legt mit dem zuletzt 1948 von David Lean für das Kino verfilmten Stoff eine visuell unkonventionelle Adaptation des gleichnamigen Weltliteraturklassikers von Charles Dickens vor. Durch die Integration märchenhafter Elemente und ein detailgenaues Studiofilmdesign gelingt es Polanski in Anlehnung an Dickens, die ungeschönte Darstellung sozialer Realität mit einem satirischen, visionären Blick auf das London des viktorianischen Zeitalters zu verbinden. Dabei variiert er das klassische Motiv der literarischen Vorlage: Ein Junge nimmt– den widrigen Umständen zum Trotz – sein Leben in Angriff, besteht diverse Bewährungsproben und triumphiert am Ende über das Schicksal.
Autor/in: Vision Kino, 19.10.2006