Inhalt
Fernab der von Moskau bestimmten Politik kümmert man sich im Jahr 1953 in dem rumänischen Dorf vor allem um sich selbst. Der sozialistische Bürgermeister wird verspottet und viel wichtiger als der Besuch des mobilen Kinos mit den obligatorischen Propagandafilmen ist der Wanderzirkus, der Ablenkung verspricht – und natürlich die bevorstehende Hochzeit zwischen Iancu und Mara. Doch die Vorfreude wird getrübt: Zunächst findest man im Wald die Leiche einer jungen Frau, die in ihren Händen noch das Abzeichen eines russischen Soldaten hält, und wenig später ereilt das Dorf die Nachricht, dass Stalin verstorben ist. In den nächsten Tagen soll strikte Volkstrauer herrschen, ohne Festessen, ohne Musik und ohne Hochzeit. Die Dorfbewohner jedoch reagieren wie immer und begegnen den Anordnungen aus Moskau mit Witz und Einfallsreichtum.
Umsetzung
Horatiu Malaele erzählt seine Geschichte in einer langen Rückblende und inszeniert sie als hintersinnige Mischung aus Drama und Komödie. Fließend gehen darin ernsthafte Szenen über in irrwitzige, teil burleske und slapstickartige Sequenzen wie etwa die beinahe 20-minütige stumme Hochzeit, mit der die Dorfbewohner schweigsam Widerstand leisten. Immer wieder bricht Malaele zudem reale Grenzen auf und weist mit poetischen Bildern über die Realität hinaus ins Fantastische. Diese Vielfalt und Ambivalenz spiegelt sich auch im Umgang mit der Farbgebung. So steht die Signalfarbe Rot hier ebenso für Lebensfreude und Liebe als auch für Tod und das autoritäre politische System.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Für eine Einordnung der Ereignisse und der Bedeutung von Stalins Tod in
Stille Hochzeit empfiehlt sich vor dem Kinobesuch eine Beschäftigung mit der gesellschaftspolitischen Situation in Rumänien nach dem Zweiten Weltkrieg und dem Einfluss der UdSSR. Gerade die fiktive komödiantische Annäherung an ein ernsthaftes Thema, ihre Angemessenheit und besondere Wirkung kann nach dem Kinobesuch einen Ausgangspunkt für eine Besprechung von Malaeles Film darstellen.
Stille Hochzeit gibt nicht vor, ein geschichtliches Ereignis oder eine Epoche wirklichkeitsgetreu zu rekonstruieren. Gerade aber durch das Nebeneinander von Tragik und Komik vermittelt der Film ein nachdrückliches Gefühl für ein Leben zwischen Bedrohung und Lebensfreude, schafft durch ein befreiendes Lachen Distanz und regt zum Nachdenken an. Darüber hinaus ist die Perspektive interessant, da hier nicht der heldenhafte Widerstand gegen ein autoritäres System im Mittelpunkt steht, sondern alltägliches Verhalten einfacher Menschen. Für eine Filmanalyse bietet sich insbesondere die Auseinandersetzung mit der Symbolik an, die die Handlung zu einem vielschichtigen Kommentar verdichtet und auch auf die Werke von Filmemachern wie Federico Fellini oder Emir Kusturica verweist.
Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Stefan Stiletto, 02.11.2009, Vision Kino 2009.