Für einen einzigen symbolischen Euro hat Christoph Fisser zusammen mit Carl Woebcken 2004 Studio Babelsberg gekauft. Seitdem sitzt er im Vorstand des geschichtsträchtigen Großateliers und sorgt unter anderem dafür, dass internationale Produktionen wie
The International (Tom Tykwer, USA, Deutschland 2009) oder
Operation Walküre – Das Stauffenberg Attentat (Bryan Singer, USA 2009) in Potsdam gedreht werden. Schon seit Mitte der 1980er-Jahre ist Fisser, 1960 in München geboren, selbständiger Unternehmer und hat unter anderem 1994 die Studio- & Atelierbetriebe Schwabing für Film und Fernsehen GmbH gegründet und betrieben.
Herr Fisser, Sie haben Studio Babelsberg 2004 übernommen. Welche Ziele hatten Sie damals und welche haben Sie davon bis heute umgesetzt?
Wir haben schon vor der Übernahme erkannt, dass, wenn wir das Studio als Film- und nicht als Fernsehstudio betreiben wollen, es uns gelingen muss, große internationale Produktionen nach Babelsberg zu holen. Wir sind natürlich froh über jeden deutschen Film, der hier gedreht wird, aber bei den meisten deutschen Produktionen ist das Budget so begrenzt, dass keine aufwändigen Studiobauten in Frage kommen. Bei großen Produktionen ist das anders: Wenn Tom Tykwer beispielsweise
The International dreht und der Film teils im Guggenheim Museum spielt, dann wird das Guggenheim in Originalgröße nachgebaut. Es ist für ein Filmstudio natürlich ganz entscheidend, dass die Hallen und das Art Department ausgelastet sind.
Wie ist denn die Auslastung? Schreibt das Studio schwarze Zahlen?
Das vergangene Jahr war stabil. Die Geschäftszahlen veröffentlichen wir im Frühjahr 2012. Das erfolgreichste Jahr hatten wir bisher 2007, bevor es danach zu einem Einbruch durch die Finanzkrise kam. Das Segment, das wir bedienen können, brach damals um etwa 60 Prozent ein. Dementsprechend waren 2008 und auch noch 2009 sehr schwierige Jahre.
Welches Segment wird denn von Studio Babelsberg bedient?
Zu unserem Segment gehören eigentlich Filme mit einem Budget von bis zu 70 Millionen Euro. Da sind wir gut konkurrenzfähig. Unser Art Department zählt zu den besten der Welt und die Produzenten und die US-Studios, mit denen wir zusammengearbeitet haben, wissen auch, dass wir sehr effektiv arbeiten können. Das Budget der Filme ist abhängig von der Förderung, die man anbieten kann. Wir sind natürlich heilfroh über den Deutschen Filmförderfonds. Mehr als zehn Millionen Euro gibt es für eine Produktion allerdings nicht und das ist ein Nachteil für den Standort. Nehmen wir als Beispiel England oder Ungarn: Dort existiert keine Fördergrenze. Wenn ein Film insgesamt 180 Millionen Euro kostet, dann erhält er zum Beispiel 35 Millionen Euro Förderung. So ist das weltweit und teilweise noch extremer. Damit können wir einfach nicht konkurrieren.
Hollywood-Blockbuster werden also auch in Zukunft nicht in Babelsberg produziert?
Wenn das Fördersystem nach oben offen wäre wie in anderen Staaten, wäre es auch kein Problem zum Beispiel
Superman oder
Harry Potter hier zu machen. Deren Budgetgröße ist allerdings so hoch, dass, selbst wenn die Kreativen – also der Regisseur oder auch die Produzenten – hierher wollten, letztlich die Leute entscheiden, die das Geld auch ausgeben. Die sagen dann: Wenn wir 700 Kilometer weiter 20 Millionen mehr bekommen und auch noch deutlich weniger Lohn zahlen müssen, dann stellt sich die Frage gar nicht, wo produziert wird.
Mit welchen Vorteilen kann sich Babelsberg behaupten?
Ich glaube, dass wir sehr gute Mitarbeiter haben. Die meisten sind noch aus DEFA-Zeiten geschult und handwerklich herausragend. Das sind Künstler. Das Lob hören wir bei jeder Produktion. Daher haben wir viele Filmschaffende, die wieder kommen – wie die Wachowskis [Drehbuchautoren und Regisseure, u.a. der drei
Matrix-Filme, Anm. d. Red.], die gerade ihren vierten Film hier gedreht haben. Wir können sehr schnell Sets hochziehen, sind sehr flexibel und Berlin und Potsdam sind wahnsinnig beliebt.
Ist denn die Geschichte des Studios eher von Nutzen oder auch eine Bürde?
Ich glaube, insgesamt ist sie von Nutzen, weil jeder Filmemacher einfach gerne hierherkommt. Es ist das älteste Filmstudio der Welt. Hier wurde sehr früh Filmgeschichte geschrieben. Vieles, was mit Film zu tun hat, ist hier erfunden worden. Nehmen wir zum Beispiel den Vorläufer der heutigen Steadycam: Hier ist zum ersten Mal in der Filmgeschichte eine Kamera vom Stativ genommen worden. Das hieß damals "entfesselte Kamera". Die hat man nur mit sehr schweren Seilen tragen können, weil es sich natürlich um ganz andere Apparate handelte, als es sie heute gibt. Viele filmtechnischen Innovationen sind hier in Babelsberg auf den Weg gebracht worden, beispielsweise im Tonfilm- oder Farbfilmbereich oder in der Kameratechnik. Wir sehen bei allen Diskussionen, dass die Geschichte keine Nachteile bringt, sondern eher Interesse weckt.
Wie wichtig ist das Studio für die Region Berlin-Brandenburg?
Wenn wir voll ausgelastet sind, dann arbeiten bei uns allein bis zu 400 Tischler und Schreiner. Daran kann man die regionale Bedeutung des Studios ganz gut ablesen. Wir beschäftigen in der Spitze bis zu 2.000 Personen. Ein ganz entscheidender Faktor, den wir allerdings nicht berechnen können, ist der Werbe- und Imageeffekt für Deutschland und insbesondere für Berlin-Brandenburg. Babelsberg ist vor allem für die Amerikaner ein mythischer Ort. Auch da spielt die Geschichte eine große Rolle.
Wie werden Großproduktionen für den Standort Babelsberg gewonnen?
Wir sind oft in Los Angeles, führen dort Projektverhandlungen. Dabei haben wir im Vergleich zu manch anderen Produktionsstandorten den Vorteil, dass wir Babelsberg niemandem erklären müssen, wir sind bekannt. Gerade nach den vergangenen Jahren können wir bei jedem Film mitpitchen. Wir sind schon relativ automatisch auf den Listen und bekommen früh mit, wann ein Film soweit ist.
Wie langwierig ist der Prozess, bis schließlich die erste Klappe fällt?
Das ist ganz unterschiedlich. Manchmal kann es Jahre dauern. Zum Beispiel der Film
Anonymus: Mit Roland Emmerich haben wir bereits vor Jahren über das Projekt gesprochen. Dann ist ihm
2012 "dazwischen gekommen", wodurch
Anonymus wieder verschoben wurde. Bei
Inglourious Basterds hingegen haben wir Quentin Tarantino in Los Angeles getroffen und schon sieben Tage danach war er hier. Zwölf Wochen später war bereits der Drehbeginn. Für einen Film in dieser Größenordnung war das fast zu knapp, denn es hatte noch gar kein Location-Scouting gegeben und die Finanzierung war auch noch wackelig.
Machen es namhafte Referenzen leichter, große Produktionen an Land zu ziehen?
Der wirtschaftliche Faktor ist bei den großen Produktionen wirklich der wichtigste. Wir versuchen ja alles und gehen teilweise mit den Preisen wirklich in die Knie, um sie hierher zu bekommen. Auf der anderen Seite hatten die Filme, die hier produziert wurden, in den letzten zehn Jahren 30 Oscar®-Nominierungen und acht oder neun gewonnene Oscars®. Dadurch ist schon immer eine große Aufmerksamkeit da. Auch die Schauspieler und die Regisseure sind wunderbare Werbeträger. Quentin Tarantino und Brad Pitt beispielsweise haben in keinem Interview ausgelassen, Babelsberg zu erwähnen.
Wo stößt das Studio an die Grenzen seiner Möglichkeiten?
Wir haben eigentlich keine Kapazitätsgrenzen, was das Räumliche angeht. Die Kapazitäten sind eher crewbedingt. Eine Grenze hatten wir in 2007 erreicht, als wir
Operation Walküre – Das Stauffenberg Attentat,
Speed Racer,
The International und den im Aufwand nicht so hohen
Der Vorleser parallel gemacht haben und zeitgleich noch drei deutsche Produktionen dazu kamen. Mit insgesamt sieben Filmen wurde es schon eng. Das Angebot für eine fünfte US-Produktion mussten wir damals ablehnen, weil wir uns nicht sicher waren, ob wir die noch so bedienen können, dass die Produzenten zufrieden wieder abreisen. Ich würde sagen: Wenn wir gleichzeitig drei große Produktionen haben, kommen wir langsam an unsere Grenzen.
Welchen Anteil haben die großen internationalen Produktionen am Gesamtproduktionsvolumen in Babelsberg?
Das ist schwer zu sagen. Das Entscheidende sind die großen Studioproduktionen, bei denen wirklich drei Monate im Studio gedreht wird. Es kann sein, dass wir mit zwei großen Produktionen erheblich mehr Umsatz machen als mit 40 Filmen, die hier ansonsten gedreht werden. Wenn wir die nicht hätten, dann müssten wir das machen, was die Bavaria gemacht hat und versuchen, mehr Fernsehproduktionen anzusiedeln.
Wie ist es um die Zukunft der großen Außenkulisse "Berliner Straße" bestellt? Sie kann doch nur noch bis 2013 an ihrem jetzigen Ort stehen bleiben?
Ja, denn wir haben das Gelände nur gemietet. Es wird aber eine Ersatzlösung geben und die wird anders aussehen, weil sich das Filmen technisch verändert hat. Wir wollen die Kulisse vergrößern, gleichzeitig aber nicht mehr so hoch bauen und mit ein paar zusätzlichen Fassaden verlängern, damit sie mit Green Screen oder
Blue Screen leichter veränderbar ist. Ein Studio muss eine solche Außenkulisse anbieten. Es gibt kein großes Studio auf der Welt, das keine Außenkulissen anbietet.
Was war denn die aufregendste Produktion der vergangenen Jahre?
Die aufregendste war sicherlich
Operation Walküre – Das Stauffenberg Attentat, weil wir aufgrund der Diskussionen über die Drehgenehmigungen und Scientology keine leichten Arbeitsbedingungen hatten. Am Ende haben wir aber einen wunderbaren Film geschaffen.
Können Sie verraten, welche Produktionen und Stars in diesem Jahr noch nach Babelsberg kommen?
Nein, das kann ich leider nicht. Wir haben schon so oft erlebt, dass wir uns sicher waren, dass ein Film hierher kommt und er ist dann doch weggebrochen. Am schönsten ist es, wenn wir eine Produktion machen können, ohne großes Interesse von außen, weil man dann konzentrierter an einem Film arbeiten kann.