Der Buchbinder Mortimer, kurz Mo, kann durch sein einfühlsames Vorlesen Geschichten und Gestalten aus Büchern zum Leben erwecken. Allerdings verschwindet im Gegenzug ein realer Mensch im literarischen Universum. Genau dies ist vor neun Jahren passiert: Als Mo seiner damals dreijährigen Tochter Meggie aus dem Buch
Tintenherz vorlas, entsprangen der zwielichtige Gaukler Staubfinger und der Bösewicht Capricorn mit seinen dunklen Gesellen den Seiten, während Mos Frau Resa in die mittelalterliche "Tintenwelt" gesogen wurde. Nach jahrelanger vergeblicher Suche findet Mo in einem Schweizer Antiquariat endlich ein weiteres Exemplar des Tintenherz-Romans. Damit möchte er seine Frau zurückholen, doch der Plan wird von Capricorn vereitelt, der mittlerweile Gefallen an dem Leben außerhalb der Buchseiten gefunden hat. Als der Schurke in seinem Versteck in einem ligurischen Bergdorf entdeckt, dass auch die von ihm entführte Meggie die "Zauberzungen"-Fähigkeit geerbt hat, verlangt er, dass sie seinen mächtigsten Verbündeten, den schrecklichen "Schatten", zum Leben erweckt, um die Weltherrschaft an sich zu reißen. In seiner Not ruft Mo eine bunte Truppe von Gestalten aus der Realität und der Romanwelt um Hilfe.
Von den Fans lange erwartet, ist mit
Tintenherz nun der erste Teil der vielschichtigen "Tintentrilogie" (
Tintenherz, 2003;
Tintenblut, 2005;
Tintentod, 2007) von Cornelia Funke verfilmt worden, die zu den erfolgreichsten deutschen Kinder- und Jugendbuchautoren/innen zählt. Der britische Regisseur Iain Softley hat die Story über die Faszination und magische Kraft des Bücherlesens zu einem temporeichen Fantasyfilm verarbeitet, mit etlichen Fabelwesen und Monstern, die an Figuren aus den
Harry Potter-Filmen erinnern. Visuell bestechend ist auch die Idee, die Gesichter der schwarz gekleideten Handlanger Capricorns mit tätowierten dunklen Buchstaben zu bedecken, die ihre Herkunft aus der Bücherwelt symbolisieren. Insgesamt setzt der Film jedoch weniger auf Effekte, denn auf das Spannungspotenzial einer Geschichte, in der sich Fiktion und Realität ständig gegenseitig durchdringen. Dass die verschachtelte Erzählweise des Romans auch in der filmischen Umsetzung verständlich bleibt, ist ein großes Plus der Inszenierung – wenn auch ein Teil der Buchmagie auf der Strecke bleiben musste. Die epischen Erzählpassagen, die Reflektionen über die Liebe zur Literatur und zum Lesen, die einen wesentlichen Teil des Romans ausmachen, mussten im Film gerafft werden und wurden wohl auch zugunsten von Augenkitzel und Action reduziert. Dennoch blieben zentrale Themen wie Kreativität, die existenzielle Bedeutung, die Bücher und Lesen besitzen können, in der filmischen Adaption erhalten. Diskussionsangebote macht auch die humanistische Grundbotschaft des Films, der die verhängnisvollen Folgen totalitärer Herrschaftsgelüste aufzeigt und dieser Machtgier die Kraft der Imagination und Werte wie Mut, Solidarität und Zivilcourage entgegenstellt.
Autor/in: Reinhard Kleber, 10.12.2008
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