Nicole, Chris, Sven, Gregor und Dirk haben ganz normale Jobs und ein ungewöhnliches Hobby. Als Live-Rollenspieler/innen schlüpfen sie in ihrer Freizeit in die Kostüme fantastischer Figuren und versetzen sich in der Rolle von Elfenköniginnen, Zauberern oder untoten Fürsten, die in magisch-mythischen Welten Kämpfe zwischen Gut und Böse austragen – und damit in eine Parallelwelt, die sich nicht deutlicher von ihrem Alltag unterscheiden könnte. In seinem Dokumentarfilm geht Andreas Geiger der Frage nach, wie die Lehrerin, die Modedesignerin, der Automechaniker, der Parteimitarbeiter und der Maskenbildner diese Wechsel der Identitäten erleben und was diese für sie bedeuten. Er begleitet sie in ihrem Alltag und bei einem LARP-Con – einem Live-Action Role Playing-Treffen, an dem mehrere tausend Spieler/innen teilnehmen.
Um die Faszination des Spiels deutlich zu machen, versucht Geiger, den Ablauf und die Handlung eines kompletten LARP-Wochenendes abzubilden. Dabei verlässt er bewusst den dokumentarischen Stil und lehnt sich stattdessen mit starken
Untersichten, Gegenlichtaufnahmen und einem epischen
Score an der Inszenierung von Fantasy-Blockbustern wie
Der Herr der Ringe – Die Gefährten (The Lords of the Rings – The Fellowship of the Rings, Peter Jackson, USA 2001) an. Doch während gerade dies den Protagonisten/innen nicht gerecht wird und sie vielmehr wie schlechte Amateurschauspieler/innen wirken lässt, wird der Dokumentarfilm vor allem dann aufschlussreich, wenn er sich auf den Kontrast zwischen Alltag und Fantasiewelt konzentriert und diesen durch geschickte
Parallelmontagen unterstreicht. So lässt er etwa deutlich werden, welcher Handlungsfreiraum sich plötzlich für den Parteimitarbeiter ergibt, der ansonsten nur Protokolle führt und im LARP einen kämpferischen Anführer spielt, oder wie der Maskenbildner seine Rollen als Experimentierfeld für sein Verhalten im Privatleben versteht und nutzt.
Gerade die Motive der Live-Rollenspieler/innen und die dargestellte Diskrepanz zwischen Realität und Fantasie können als Ausgangspunkt für eine Auseinandersetzung im Unterricht dienen und dazu anregen, sich mit dem Themenfeld Identität und Rollen zu beschäftigen. Interessant sind aber auch die Hoffnungen, die im Zusammenhang mit der Fantasiewelt geäußert werden – etwa wenn gerade die übersichtliche Trennung in Gut und Böse im LARP als entlastend genannt wird oder aber ein Spieler selbstkritisch hinterfragt, welche Wirkung Massenszenen und Führerfiguren haben. Nicht zuletzt bietet es sich auch an, Klischees von Fantasy-Erzählungen oder auch typische filmische Mittel von Fantasyfilmen und deren Wirkungen zu analysieren.
Autor/in: Stefan Stiletto, 05.08.2013
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