Drei Jahre bevor der Spielfilm
Das Leben der Anderen (Florian Henckel von Donnersmarck, 2005) die skrupellosen Methoden der Staatssicherheit dramatisierte, setzte sich der Dokumentarfilm
Das Ministerium für Staatssicherheit – Alltag einer Behörde mit dem Geheimdienst der ehemaligen DDR auseinander. Bereitwillig geben neun ehemalige hohe Offiziere des Ministeriums für Staatssicherheit (MfS) Auskunft über ihre tägliche Arbeit, über Interna des bürokratischen Apparats und das Lebensgefühl der Mitarbeiter/innen. Sechs Kapitel widmen sich den Techniken, Strukturen und Folgen der geheimdienstlichen Arbeit: Bespitzeln und Erpressen, Zersetzen, Festnahme und Verhör, die Elite des Sozialismus, Haft, Endzeitstimmung. Frappierend an den Aussagen der Befragten ist das Fehlen jeglichen schlechten Gewissens: Sie alle zeigen sich frei von Schuld, Scham oder Skrupeln. Noch immer sind sie der Überzeugung, richtig gehandelt und nur ihrem Staat und Volk gedient zu haben. Selbst die Ursachen für den Zusammenbruch des sozialistischen Systems werden auf der rein politischen Ebene gesucht. Bequem in ihren biederen Wohnzimmern sitzend, schwärmen sie noch immer von den "prächtigen Kollektiven" des MfS und der einmaligen Kameradschaft. Zugleich bescheinigen sie den "Inoffiziellen" (den informellen Mitarbeitern/innen des MfS), dass diese doch nur ihre staatsbürgerliche Pflicht erfüllt hätten.
Gegen den Film haben die Opfer der Staatssicherheit eingewandt, dass dieser ausschließlich die Täter zu Wort kommen lasse. Gerade die Konzentration auf die hauptamtlichen Mitarbeiter führt jedoch dazu, dass sich diese mit ihren Ausreden und Beschönigungen als Zuarbeiter eines menschenverachtenden Systems selbst entlarven. Die Filmautoren kontrastieren zudem die Interviewausschnitte mit Archivmaterialien von Überwachungsvideos, Ausbildungsfilmen oder Tonaufnahmen von Erich Mielke, dem Minister für Staatssicherheit der DDR. Wenn die Kamera dann zu trister Musik durch schier endlose Gefängnisflure streift oder über kahle Zellenwände schwenkt, erschließt sich die Opferperspektive wirksamer als durch ausführliche Statements.
Autor/in: Reinhard Kleber, 07.06.2007