Es war einmal ... die Fußballweltmeisterschaft 2006 in Deutschland. Unterstützt von Frank Griebe hat Regisseur Sönke Wortmann die turbulenten Ereignisse dieses Sommers mit der Kamera festgehalten. Beim Training, auf der Massagebank, in der Kabine, selbst im Schlafzimmer – immer war Wortmann mit seiner Digitalkamera dabei und durfte die Fußballprofis und Medienstars hautnah miterleben: Klose im Disput mit der Friseurin, Klinsmanns Scheitern an der mannschaftseigenen Tischtennisplatte, Lehmanns freche Fragen an die Bundeskanzlerin. Solche Beobachtungen haben einen großen voyeuristischen Reiz, verbinden Privates und Öffentliches und offenbaren zugleich die Funktionsmechanismen einer medialen Inszenierung. Die Bundeskanzlerin hat man selten so unbefangen flirten gesehen wie beim Gruppenbild mit den Kickern. Das entstandene Pressefoto hingegen wirkt klassisch unnahbar.
Über weite Strecken ist Wortmanns Film in erster Linie ein hochkarätiges Erinnerungsvideo an einen hochkarätigen Fußballsommer. Dabei wirkt das erste Drittel des Films mit seinen unnötig hektischen Schnitten und musikalischen Montagesequenzen seltsam leblos. Emotional anrührend wird das Sommermärchen aber, wenn es den kollektiven Fußballtraum als ganz persönliches Drama zeigt – das der Spieler und ihrer Betreuer. In den qualvollen Minuten in der Mannschaftskabine nach dem Aus im Halbfinale beispielsweise hat der Film alles, was ein gutes Drama auszeichnet: Helden, Herausforderung, Gewinner und Verlierer. Dramaturgisch klug beginnt
Deutschland. Ein Sommermärchen mit dem verlorenen Spiel um den Einzug ins WM-Finale. Von den emotionalen Tiefen kann sich der sommerliche Höhenflug nun ganz ungestört nach oben schrauben. Als die Fußballspieler am Ende die Niederlage ereilt, schaltet Wortmann wieder in die Totale – denn Deutschland konnte auch über einen dritten Platz jubeln. Auch wenn der Filmtitel die Analogien ironisch heraufbeschwört, ist Wortmanns Sommermärchen weder eine Antwort auf Heines Wintermärchen noch ein feuilletonistisches Fragezeichen zum eilig diagnostizierten neuen Nationalstolz. Es ist vielmehr ein echter Fußballfilm mit großen und kleinen Helden und allen wichtigen (Tor-)Szenen des Sommers auf der großen Leinwand.
Autor/in: Dinah Münchow, 29.09.2006