Das Interview führte Margret Köhler.
Lars von Trier bei den Dreharbeiten
Woher kommt Ihr Zorn auf Amerika?
Ich bin überhaupt nicht antiamerikanisch, das heißt aber nicht, dass ich mit der amerikanischen Politik einverstanden sein oder Präsident Bush lieben muss. Mir werden auch viele Äußerungen nur unterstellt.
Finden Sie es eigentlich politisch korrekt, wenn am Ende Ihres Films die Sklaven ihre eigene Unterdrückung gutheißen und mit der Freiheit relativ wenig anfangen können?
Ich bin kein Repräsentant der politischen Korrektheit und will es auch nicht sein, sondern setze einen Kontrapunkt gegen den Idealismus, der selbst Menschen mit den besten Absichten in die Irre führen kann. In
Manderlay sind weiße wie schwarze Charaktere dumm und unfähig, die Situation wirklich zu verändern oder sie auch nur zu begreifen. Es gibt bei mir keine unfehlbaren Helden, sondern nur Individuen, die nicht aus ihrer Haut heraus können. Rassismus ist in Amerika eine offene Wunde, weil er tagtäglich ist und ein Zweiklassensystem schafft. In Dänemark gibt es dieses Problem nicht in dieser Ausprägung. Kein Wunder, ich war zehn, als mir erstmals ein Farbiger begegnete. Aber selbst bei uns haben sich die Zeiten geändert. Meine Eltern diskutierten noch über Sozialismus, meine Kinder debattieren dagegen über Rassenfragen.
Lars von Trier (rechts) mit Lauren Bacall bei den Dreharbeiten
Es gibt Kritiker, die behaupten, Manderlay sei ein Film aus weißer Perspektive?
Spielen Sie auf Danny Glover an, der den alten Haussklaven spielt? Ich musste lange mit ihm diskutieren, bevor er die Rolle annahm. Und ich kann ihm nur Recht geben. Ich bin Däne, wie soll ich das ändern? Es gab aber auch Unterschiede im Verhalten von amerikanischen, englischen und dänischen farbigen Schauspielern. Während Briten und Dänen ihre Witzchen am Set rissen, nahmen die Amerikaner die Sache viel ernster. Davon abgesehen trauten sich manche amerikanischen Schauspieler überhaupt nicht, das Engagement anzunehmen, obgleich sie das Buch begeisterte. Sie hatten Angst vor den Reaktionen in den USA.
In Dogville glaubte die Heldin Grace noch an das Gute, reagierte auf das, was um sie herum geschah. In Manderlay übt sie Macht aus und handelt nach eigenem Gutdünken.
Sie hat ihre Lektion gelernt und setzt ihre Erfahrungen um. Man sollte auch nicht vergessen, dass diese junge Frau aus einer Gangster-Familie stammt und wahrscheinlich nicht immer ein Unschuldslamm war. Ich möchte kein Pauschalurteil abgeben, aber wer unbedingt Gutes tun will, hat manchmal, natürlich nicht immer, ein Helfersyndrom und will sich damit von Verantwortung freikaufen.