Bereits wenige Minuten nach Beginn des Films setzt der 16-jährige Ken Park aus der kalifornischen Kleinstadt Visalia seinem Leben ein Ende. Bei strahlendem Sonnenschein schießt er sich auf der Skaterbahn, dem Jugend-Treffpunkt des Ortes, grinsend eine Kugel in den Kopf und nimmt die schockierende Szene mit der DV-Kamera auf. Mehr erfährt man kaum über Ken, aber sein Selbstmord ist der Ausgangspunkt für die Geschichte über eine Gruppe befreundeter Teenager und ihre Familien: Shawn hat ein sexuelles Verhältnis mit der Mutter seiner Freundin, Claude wird immerzu von seinem Vater schikaniert, weil er dessen Männerbild nicht entspricht, Tate ist ein aggressiver Einzelgänger, der bei seinen Großeltern lebt, und Peaches wird von ihrem streng katholischen Vater ziemlich kurz gehalten. Die Lebensumstände der vier lassen einen vagen Rückschluss auf Ken Parks Freitod zu. – Regisseur Larry Clark und Drehbuchautor Harmony Corine liefern mit diesem Film die konsequente Fortsetzung zu Kids , mit dem sie Mitte der 1990er Jahre wegen ihrer tabulosen und ungeschönten Betrachtung "ganz normaler" US-amerikanischer Jugendlicher und ihrem Alltag zwischen Sex, Drogen und Gewalt Furore machten. Auch hier haben sie mit jungen Laiendarstellern/innen gedreht und den Fokus auf die Familie, die in Kids so gut wie gar nicht vorkam, ausgeweitet. Die Filmemacher konfrontieren die Zuschauenden mit der kaputten und verlogenen Welt der Eltern, der Trostlosigkeit des Erwachsenendaseins und verschiedenen Formen familiären Missbrauchs hinter den schmucken Fassaden eines typisch amerikanischen Vororts. Trotz allem ist der Blick auf die Erwachsenen nicht anklagend, sondern eher mitleidig. Es wirkt beschämend, wie schwach sie im Vergleich zu ihren heranwachsenden Kindern sind, ihre eigenen Unzulänglichkeiten und Unfähigkeiten auf diese übertragen, statt ihr Leben verantwortungsbewusst zu ordnen. Der schonungslose und beklemmende Film hat auch einen positiven Aspekt: Die vier Protagonisten/innen geben sich gegenseitig die Geborgenheit, die sie in ihren Familien vermissen, auch wenn sich ihre Kommunikation hauptsächlich auf freizügige Liebesspiele beschränkt.
Autor/in: Stefanie Zobl, 01.07.2004