Die jüngeren Enthüllungen um die Zwickauer Terrorzelle, die jahrelang im Untergrund operierte, haben das Thema Rechtsextremismus wieder an die Spitze der politischen Agenda katapultiert und seine Brisanz verdeutlicht. Auch unabhängig von aktuellen Ereignissen erzählen deutsche Spiel- und Dokumentarfilme seit dem Mauerfall verstärkt über Lebensläufe in der rechtsextremen Szene. Vor allem Jugendliche – und seit David Wnendts
Kriegerin aus dem Jahr 2011 nicht nur Männer, sondern auch Frauen – stehen dabei im Mittelpunkt. Sie suchen nach Orientierung und Vorbildern oder sehen in den radikalen, extremen und meist hasserfüllten Haltungen eine Möglichkeit zur Rebellion gegen gesellschaftliche Normen. Scheinbare Zuflucht finden sie – zumindest vorübergehend – schließlich in der rechtsextremen Ideologie mit ihrem schematisierten Weltbild.
Gerade die jugendlichen Protagonisten/innen und die Verortung der Geschichten im Hier und Jetzt machen diese Filme relevant für die Filmbildung und den Einsatz im Schulunterricht oder der außerschulischen Jugendbildung. Selbstverständlich ersetzen sie nicht die Auseinandersetzung mit der Entwicklung des Rechtsextremismus in Deutschland und mit den aktuellen rechtsextremistischen Vorfällen. Spiel- aber auch Dokumentarfilme können jedoch emotional berühren, zur Identifikation und Auseinandersetzung zwingen und damit ohne belehrenden Zeigefinger zum Nachdenken anregen. Filmrealitäten sind spannende Ausgangspunkte, um an die Lebenswirklichkeit der Schülerinnen und Schüler anzuknüpfen, und mit ihnen über rechte Ideologien sowie damit zusammenhängende Themen wie Fremdenhass, Gewalt, Intoleranz, Rassismus, Vorurteile oder Identitätsfindung zu diskutieren. Im besten Fall ermöglichen die Filme eine reflektierte Stellungnahme und werfen – auch aus jugendlicher Sicht – einen differenzierten Blick auf ein gesellschaftliches Problem.
Der Beitrag
Rechtsextreme Jugendliche im neueren deutschen Film in diesem kinofenster.de-Dossier unternimmt einen Streifzug durch die jüngere deutsche Filmgeschichte und stellt exemplarisch Dokumentar- und Spielfilme zum Thema vor. Bisweilen haben diese für einige öffentliche Aufmerksamkeit gesorgt, wie etwa Winfried Bonengels Dokumentation
Beruf Neonazi (1993), bisweilen mussten sie sich Kritik gefallen lassen, ihrem Thema entweder inhaltlich oder ästhetisch nicht gerecht geworden zu sein. Allein diese Diskussion zeigt damit bereits auf, wie schwierig eine filmische Annäherung an das Thema Rechtsextremismus im Kino ist. Denn schließlich dürfen die Filme weder zu plakativ sein, noch leichte Lösungswege vorschlagen oder gar rechtsextremen Parolen eine Plattform bieten.
Umso bedeutsamer ist es für den Schulunterricht, auch die Leerstellen der Filme oder kontroverse Darstellungen aufzugreifen und damit sichtbar zu machen: Mit
Anregungen für den Unterricht und einem
Arbeitsblatt macht kinofenster.de konkrete Vorschläge, wie man mit den vorgestellten Filmen in Fächern Deutsch, Politik, Sozialkunde, Ethik und Kunst arbeiten kann. Vor allem offene Methoden und Diskussionen sind viel versprechend, um ein Nachdenken anzustoßen, ohne zu bevormunden. Ergänzend bieten eine
Liste mit Bezugsquellen ausgewählter themenrelevanter Kinofilme sowie
Hinweise auf aktuelle Publikationen der Bundeszentrale für politische Bildung weiterführende und vertiefende Informationen. Vielleicht kann ja gerade der filmpädagogische Ansatz, das offene Gespräch über die Geschichten, die das Kino über rechtsextremistische Jugendliche erzählt, auch die Brücke schlagen zwischen Faktenwissen, der Aufklärung über stereotypische Darstellungen und eigener Meinungsbildung.
Autor/in: Stefan Stiletto, Medienpädagoge mit Schwerpunkt Filmkompetenz und Filmbildung, 04.06.2012
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