Das Interview führte Margret Köhler.
Regisseur Gary Fleder bei den Dreharbeiten
Gibt es wirklich diese skrupellosen Jury-Berater? Wie haben Sie recherchiert?
Ich habe nichts erfunden. Ein Anwalt aus Washington hat mir geholfen, mich im juristischen Dickicht zurechtzufinden. Diese Experten werden von Anklage und Verteidigung angeheuert, sie stellen im Vorfeld die für ihre Zwecke perfekten Geschworenen zusammen, versetzen sich dann in deren Gedankenwelt und entwickeln eine effektive Prozess-Strategie, damit das von ihrer Seite gewünschte Urteil gefällt wird. Ein ganzer Technologie-Apparat und Mitarbeiter-Tross hängt daran. Ich habe erstmals beim O.-J.-Simpson-Fall davon gehört, als die Beraterin der Jury in einer CNN-Sendung auftrat.
Korruption, Manipulation, Beeinflussung und Ausspionieren von Juroren – glauben Sie noch an Gerechtigkeit und Justiz?
Es gibt eine Szene, in der sich Rankin Fitch und und Wendall Rohr im Vorraum der Toilette treffen. Sie sprechen kurz miteinander. Rohr glaubt an das System, aber Fitch hält es für zerstört. Das ist ein völlig unterschiedlicher Ansatz: der Idealist gegen den Zyniker. Ich glaube noch an die Justiz, trotz Fehler und Schwächen im System. Es ist das Beste, das wir haben. Beim Simpson-Prozess waren viele über das Urteil der Geschworenen frustriert. Aber ich finde es immer noch besser, wenn zwölf normale Bürger mit gesundem Menschenverstand und einer gewissen Fairness ein Urteil fällen als ein abgestumpfter Richter, der seit 30 Jahren routiniert seinen Job macht.
Sie prangern den Einfluss der National Rifle Organisation (NRO) an, hat diese sich schon bei Ihnen beschwert?
Bis jetzt noch nicht. Aber sie ist mächtiger als die Tabak-Industrie. Täglich sollen bei uns 80 Menschen durch Waffeneinsatz sterben. Es gibt mir zu denken, dass die NRO trotz der zahlreichen Massaker noch weniger Kontrolle als bisher fordert und damit manche Waffen noch leichter zu erwerben sind. Wenn einige Leute 20 oder 30 Waffen im Monat kaufen, muss doch jeder ahnen, dass da was faul ist. Wir sollten überlegen, woher diese gefährliche Obsession in den USA kommt. Gegen die Waffenlobby stehe ich auf verlorenem Posten, das Problem kann ich sicherlich nicht mit einem Film lösen, höchstens dafür sensibilisieren.
Inwieweit hat Sie die Atmosphäre der Überwachung in Amerika nach den Anschlägen des 11. September beeinflusst?
Natürlich geht es unterschwellig auch um die Einschränkungen bürgerlicher Freiheiten nach der Terror-Attacke, die ganz langsam unser Leben beeinflussen. Die Kontrolle, das Misstrauen nehmen zu. Wir müssen uns die heikle Frage stellen, wie viel Privatsphäre wir für die Sicherheit opfern dürfen. Normalerweise rümpfen die versnobten Kritiker in den USA die Nase über Mainstream wie über Fast Food von McDonald's. Bei meinem Film ging bei ihnen der Daumen nach oben, ich habe anscheinend den Nerv der Zeit getroffen.
Wie arbeitet man mit Ikonen wie Dustin Hoffman und Gene Hackman?
Ganz entspannt. Es ist eine Ironie, aber je berühmter jemand ist, um so einfacher läuft die Zusammenarbeit. Das habe ich schon mit Michael Douglas in
Sag' kein Wort festgestellt. Stars wie Hoffman und Hackman sind souverän, professionell, pünktlich und aufmerksam. Ich bewundere sie. Hackman will weniger Takes als Hoffman, der auch schon mal improvisiert. Schwierigkeiten bereiten Newcomer, die wollen sich profilieren, doktern an Dialogen herum und halten den Betrieb auf. Dadurch verlieren sie den Respekt und ziehen sich und ihre Arbeit herunter. Unsere wenigen Proben liefen wie am Schnürchen. Filme sind heute so teuer, da muss man sich gut vorbereiten.
Wie sind Sie an den Stoff gekommen?
Über die Jahre hinweg zeigten Regisseure wie Joel Schumacher oder Mike Newell Interesse. Das Studio, für das ich schon
Sag' kein Wort realisiert habe, schlug mir das Projekt vor und ich habe schnell zugegriffen.
Gary Fleder (Mitte) mit Dustin Hoffman (links) und Gene Hackman bei den Dreharbeiten
Stößt man mit so einem politischen Thema nicht zunächst auf Skepsis?
Im Vordergrund standen erst einmal Unterhaltung und Emotionalität der Geschichte. Bei dem Wort "politisch", hören die Leute sofort weg, da muss man aufpassen. Steven Soderberghs
Traffic beispielsweise handelt von Drogen und der damit zusammenhängenden Subkultur, behandelt also ein hoch politisches Thema. Der Film kam an, weil die Figuren und Gefühle stimmten. Das Publikum will nicht belehrt werden, sondern sich selbst eine Meinung bilden. Das ist eine Binsenwahrheit, die sich aber jeder Regisseur hinter die Ohren schreiben sollte.