Inhalt
Jean-Dominique Bauby, französischer Journalist, Autor und Chefredakteur des Modemagazins "Elle", leidet nach einem Schlaganfall am Locked-In-Syndrom. Von Kopf bis Fuß gelähmt, kann er sich weder bewegen noch sprechen. Nach einem zweiwöchigen Koma ist er wieder bei Bewusstsein, kann hören und sehen – mehr nicht. Die Lähmung wirft Bauby auf sich zurück – auf seine Erinnerungen und seine Fantasien. Es bleibt ihm nur ein einziger Kommunikationskanal: Das Blinzeln mit dem linken Augenlid. Blinzelnd unterhält sich Bauby mit seiner geduldigen Logopädin, blinzelnd diktiert er ein ganzes Buch. Ein beflügelter Geist in einem gelähmten Körper, wie ein Schmetterling in einem Garten und eine Taucherglocke mit kleinem Sichtfenster.
Umsetzung
Ein ganz unvermittelter Filmanfang: Ein Augenaufschlag, die Mühe zu sehen, das Flimmern der Lider, die Unklarheit der Situation.
Schmetterling und Taucherglocke ist ein Film über die Wahrnehmung eines Menschen, der auf den Seh- und Hörsinn reduziert ist. Was Bauby sieht, wirkt wie Bilder aus Experimentalfilmen – eine aus den Angeln der "Normalsicht" gehobene Weltwahrnehmung. Hatte Luis Buñuel in
Un chien andalou ein Auge aufgeschnitten, so wird in
Schmetterling und Taucherglocke gezeigt, wie es aus der Innenperspektive aussieht, wenn einem ein Auge zugenäht wird. Fortschreitendes Locked-In. Subjektiver Kamerablick und innerer Monolog lassen den Zuschauer die Welt aus der Perspektive Baubys wahrnehmen. Rückblenden und Found-Footage Montagen sprechen von Baubys Erinnerungen und Träumen. Ein Film, der nicht nur eine Tonart kennt – heitere Momente folgen auf traurige, die Musik verleiht dem Film eine Dynamik, die sein Thema entbehren muss.
Schmetterling und Taucherglocke ist nach dem gleichnamigen Roman von Jean-Dominique Bauby gedreht worden; der Film erzählt seine Geschichte, den Roman hat Bauby tatsächlich blinzelnd geschrieben.
Anknüpfungspunkte für die pädagogische Arbeit
Der Film bietet ungewöhnliche Zugänge zum Thema Krankheit und Sterben. An die Stelle des Selbstmitleids eines Kranken, setzt der Film das Versagen seines sozialen Umfelds. Kommunikation und Wahrnehmung sind die zentralen Themen, die genauer analysiert werden sollten: Wie wird die Weltsicht Baubys ins Bild gesetzt, wie ästhetisch gestaltet? Wie wird die Figur dem Zuschauer näher gebracht? Das Thema Voyeurismus ließe sich in diesem Zusammenhang diskutieren: Damit kann zum einen der (notgedrungene) Voyeurismus des Kranken gemeint sein, zum anderen der voyeuristische Blick des Zuschauers auf den Kranken. Aufschlussreich ist eine Untersuchung der Dramaturgie des Films, die durch Rückblenden und Visionen geprägt ist. Die ästhetische Umsetzung der Wahrnehmung des Kranken und seiner Imaginationen ließe sich in künstlerischen Fächern gewinnbringend untersuchen. Es ließe sich in die Bereiche Found-Footage und Experimentalfilm einführen.
Dieser Text ist eine Übernahme des
VISION KINO-FilmTipps.
Autor/in: Stefanie Schlüter, 14.02.2008, Vision Kino 2008.