Ein junger Mann bricht in Häuser ein, deren Eigentümer/innen offensichtlich verreist sind, denn sie haben die von ihm tags zuvor an den Wohnungstüren angebrachte Werbung nicht entfernt. In den fremden Wohnungen will er allerdings nichts stehlen, im Gegenteil. Als wäre er der rechtmäßige Bewohner, kümmert er sich um den fremden Ort, reinigt ihn, repariert Dinge und beerdigt einmal sogar einen alten Mann, der in seiner Wohnung eines natürlichen Todes gestorben ist. Sein Trick mit der Werbung funktioniert auch nicht immer: Eines Tages trifft er in einer luxuriösen Villa auf eine unglücklich verheiratete Frau, die von ihrem Mann häufig geschlagen wird. Der Einbrecher und das Model verlieben sich ineinander und ziehen von nun an zusammen von Ort zu Ort, bis die Polizei sie auf Drängen des gehörnten Ehemanns aufspürt. – Der koreanische Filmemacher Kim Ki-duk hat mit Bin-Jip wohl einen der interessantesten Filme des laufenden Kinojahres gedreht. Seine surreale Liebesgeschichte kommt fast ohne Worte aus, was nicht nur zur ungemein dichten Atmosphäre beiträgt, sondern den Film bereits in seiner Originalfassung fast schon universell einsetzbar macht. Die zwischen Traum und Realität, als Alltagsdrama wie als reine Poesie inszenierte Geschichte mit metaphysischem Einschlag gibt ihr Geheimnis und das ihrer Figuren nie vollkommen preis: Man ist gezwungen, genau hinzusehen, kann die Aura der fremden Lebenswelten für sich entdecken, eigene Schlüsse ziehen, fassbar wird sie ebenso wenig wie der Einbrecher, für den die Gesetze von Raum und Zeit nur bedingte Gültigkeit besitzen. 2004 erhielt dieser Film beim Internationalen Filmfestival von Venedig den Silbernen Löwen.
Autor/in: Holger Twele, 01.08.2005