Im Sommer 1988 sprühen die Straßenarbeiter Alvin und Vance wochenlang gelbe Mittelstreifen auf eine nahezu unbefahrene Landstraße. Sie führt durch ein riesiges texanisches Waldgebiet, das im Jahr zuvor durch Feuer verwüstet wurde. Während der ältere Alvin die Abgeschiedenheit in dieser Natur liebt, lebt der naive Vance nur für die Option auf Sex an den freien Wochenenden in der nächsten Stadt. Er ist der Bruder von Alvins Freundin, und kann nicht verstehen, dass Alvin sie so selten trifft. Als Alvins Beziehung endet und Vance wenig Taktgefühl beweist, geraten die beiden in Streit.
Prince Avalanche ist ein Remake des isländischen Films
Either Way (2011) von Hafsteinn Gunnar Sigurðsson. Regisseur David Gordon Green verbindet die von Sigurðsson skurril gezeichneten Charaktere mit Elementen des US-amerikanischen Independent-Films. Er verlegt das wortkarge Roadmovie nach Texas, wo verbrannte Wälder bizarr mit der sich langsam regenerierenden Natur kontrastieren. Steady- und
Hand-Kamera begleiten die Protagonisten,
Großaufnahmen beobachten Ameisen, Schildkröten oder das Einsickern gelber Farbe in einen Bach. Einmal wachsen sich blaue Baummarkierungen zu Buchstaben aus: "I love you" flackert im Wald auf, durch den ein vom Trennungsschmerz geplagter Alvin rast. Aus seiner Perspektive erlebt das Publikum eine schnelle Autofahrt in Schwarz-Weiß, die vor einem Frauenrücken endet. Surreal wirken zufällige Begegnungen mit einem trinkfesten Truck-Fahrer und einer geisterhaften Frau. Der entrückte
Instrumental-Score rundet die visuelle Lyrik des Films ab.
Alvin und Vance zählen nicht zu den hellsten Köpfen. Beide leben in ihrer eigenen Welt und lernen, sich miteinander zu arrangieren. Auch wenn Alvin die Führungsrolle übernimmt und den Jüngeren anfangs belächelt, merkt er irgendwann, dass Vance seine Qualitäten hat. Interessant für den Unterricht sind das Herausarbeiten der konträren Charaktere sowie ihrer Lebensstrategien und ihr Verhältnis zu Frauen. Im Philosophie-, Ethik- und Gesellschaftsunterricht kann man erörtern, ob die Protagonisten eigentlich selbst in ihre Weltanschauung passen oder ihre Illusion leben? Spannend ist auch die Frage nach der Funktion und Wichtigkeit ihrer Arbeit. Dient sie Regisseur Green nur als Sinnbild für menschliches Tun? Diskussionswürdig in filmsprachlicher Hinsicht ist nicht zuletzt auch für den Englischunterricht der minimalistische poetische Inszenierungsstil des Films, der den Zuschauenden einen weiten Interpretationsraum lässt und sie auffordert, dem Geschehen ihre eigenen Deutungen hinzuzufügen.
Autor/in: Cristina Moles Kaupp, 23.09.2013
Mehr zum Thema auf kinofenster.de:
Weitere Texte finden Sie mit unserer Suchfunktion.