Lange Kamerafahrten durch einen verfallenden Kanzler-Bungalow auf dem Bonner Venusberg, blinde Hochhausfassaden, Gleisanlagen, Industriearchitektur: zwei gegensätzliche Welten charakterisieren die beiden Protagonisten Matthias Brandt und Pierre Guillaume in diesem Dokumentarfilm. Der eine war 12, der andere 17 Jahre alt, als sich 1974 herausstellte, dass der engste Berater Willy Brandts ein DDR-Spion war. Der Vater des einen trat zurück, der Vater des anderen wurde verurteilt und saß sieben Jahre in einem Kölner Gefängnis, bis er abgeschoben wurde. – Fast 30 Jahre später bringt die Dokumentarfilmerin Doris Metz die beiden erwachsenen Männer zum Sprechen. Sie reden über ihr Verhältnis zu den Vätern, über ihre persönliche Sicht auf diese öffentlichen Personen, die bis heute ihren Schatten werfen. Einer der bewegendsten Augenblicke des Films ist, wenn Pierre am Grab des Vaters steht und erwähnt, dass nichts von dem Namen Guillaume übrig sei. Pierre hat den Mädchennamen seiner Mutter angenommen, der Vater den Namen seiner zweiten Frau. Jeder der beiden macht auf seine Weise die Kälte spürbar, die von den Vätern ausging. Matthias erzählt von der Steifheit, der Verschlossenheit des Alten. Aber er kann sich wenigstens amüsieren, wenn er auf den missglückten Fahrradausflug mit Herbert Wehner zu sprechen kommt. Pierre dagegen merkt man an, dass es ihm ein Leben lang nicht gelungen ist, hinter die Fassade des Kanzlerspions zu sehen. Sein Fall ist tragisch, denn das "Warum?" hat der Vater mit ins Grab genommen. Wie verkraftet es ein 17-Jähriger, wenn er plötzlich aus seiner Welt herausgerissen wird und in der DDR weiterleben muss? Wie fühlt man sich, wenn man seine Eltern jahrelang nur im Gefängnis besuchen kann? Wie kommt ein junger Mann damit zurecht, dass sein Vater in einem System, das er nicht akzeptiert, als Held gefeiert wird? Eine Stärke des Dokumentarfilms ist es, dass er diesen Fragen am Beispiel Pierres, heute Fotojournalist und Redakteur in einer Berliner Agentur, ein Gesicht verleiht. Dagegen wirken die Statements von Matthias, der den Beruf des Schauspielers ergriffen hat, allzu oft gekünstelt und die Kunstpausen aufgesetzt.
Autor/in: Dirk Fischer, 01.11.2005