Das Interview führte Reinhard Kleber.
Regisseurin Connie Walther (links) mit ihren beiden Hauptdarstellern
Warum dieser Film über die deutsch-deutsche Vergangenheit jetzt?
Es braucht immer einen gewissen zeitlichen Abstand, um einen Film über eine bestimmte Zeit zu machen, gerade bei politischen Themen. Vietnamfilme sind auch nicht zur Zeit des Vietnamkrieges gemacht worden, sondern später. Als wir zusammensaßen und über das Drehbuch von
Wie Feuer und Flamme gesprochen haben, kamen Filme wie
Sonnenallee und
Helden wie wir heraus. Das ist kein Zufall. Es braucht eine gewisse Zeit, bis es in der Kunst, Literatur und im Film zur Sprache kommt bzw. zum Thema wird. Man kann sich nicht sofort hinsetzen und schreiben, solange man noch betroffen ist.
Warum wurde der ursprüngliche Titel "Pissed & Proud" geändert?
Weil ein englischer Titel offensichtlich bei Jugendlichen schlecht ankam. Es gab etliche Diskussionen mit Schulklassen, die gesagt haben, das ist doch ein deutscher Film über ein deutsches Thema. Warum trägt der dann einen englischen Titel?
Außer den von Ihnen genannten Kinofilmen befassen sich auch Die innere Sicherheit, Die Stille nach dem Schuss und Black Box BRD mit der jüngsten deutschen Geschichte. Sehen Sie ein gestiegenes Interesse gerade bei jungen Leuten an solchen politischen Themen?
Ob die Jüngeren wirklich ein Interesse haben, sich mit der RAF auseinander zu setzen, weiß ich nicht. Ich sehe aber die Notwendigkeit und das Bedürfnis der künstlerisch Schaffenden, sich damit zu beschäftigen. Es gibt ein gewisses Unbehagen in der Kultur und es gibt Themen, die noch nicht abgearbeitet sind. Die Auseinandersetzung mit der DDR fängt im Prinzip gerade erst an. Die Verhältnisse sind doch viel komplizierter, als man so im Wiedervereinigungstaumel gedacht hat. Zehn Jahre danach gibt es immer noch große Unterschiede zwischen Ost und West und natürlich Vorurteile. Und noch immer waren viele Menschen aus dem Westen noch nie im Osten.
Inwieweit sind Ihre persönlichen Erfahrungen eingeflossen?
Ich habe mit Natja Brunckhorst seit 1999 am Drehbuch gearbeitet. Wir haben mehrere Buchfassungen gemeinsam geschrieben. Dann kam Michael Kobs dazu, der uns als ehemaliger Ost-Punk mit seinem Hintergrundwissen geholfen hat. Die letzten beiden Buchversionen habe ich praktisch alleine geschrieben. In die Regiefassung kam zwangsläufig etwas von mir hinein. Ich habe mir überlegt: Wie kann ich als West-Regisseurin einen Film über Ost-Punks machen? Was ist meine Legitimation? Ich denke, es hat etwas mit der Perspektive zu tun. Ich habe die Perspektive von Nele übernommen. Deswegen ist sie für mich die Hauptfigur, auch wenn wir das teilweise durch das Voice Over verlagert haben.
Die Ausstattung wirkt sehr authentisch. Wie haben Sie den grauen DDR-Look rekonstruiert?
Der Aufwand der Stasi zur Überwachung einer kleinen Punkband scheint im Film überzogen. Bloß eine dramaturgische Zuspitzung?
Das war wirklich so. Das ist ja das Verrückte. Das hätte ich nie gedacht. Eine Hand voll Jungs, die sich die Haare nach oben bürsten. Aber die haben in der Kirche gesungen, die hatten diese Liedertexte. In einem Originaltext singt die Band "Planlos": "Ich will was anderes, aber wie? Anarchie." Außerdem muss man sich heute vergegenwärtigen, dass für die Stasi Punk eine dekadente Westerscheinung bei Jugendlichen im Kapitalismus war, die nicht wissen, wie es weitergeht. Als 1976 in Europa die ersten Punks auftauchten, hat man das auf der Ostseite belächelt. Das konnte es dort nicht geben, denn es war doch alles in Ordnung. Deshalb durften die Ost-Berliner Punks nicht auf dem Alexanderplatz herumlaufen, sie wurden an die Peripherie gedrückt. An den Strafmaßen sieht man, wie wenig überlebensfähig dieses System gewesen ist – es war nicht in der Lage, eine Jugendbewegung zu integrieren.
Warum enthält der Film einen Off-Kommentar?
Der Off-Kommentar ist mir wichtig, weil es ein historisches Thema ist. Außerdem bringt eine Einordnung in einen größeren Kontext den Film auch etwas von der direkten Jugend-Geschichte weg, sie bringt eine gewisse Melancholie hinein. Ich möchte die Einzelgeschichte begreifen als Teil einer Gesamtgeschichte, einer Historie. Ich glaube, dass kleine Geschichten immer Teil von größeren sind, die wir aber erst retrospektiv überblicken. Das ist eine philosophische Grundhaltung, die mir eine gewisse Stimmung gibt. Sie bringt
Wie Feuer und Flamme noch eine andere Ebene, unter der ich den Film auch betrachtet sehen möchte.
Wie bei Ihrem ersten Spielfilm Das erste Mal spielt die Musik wieder eine zentrale Rolle ...
Punk ist Ausdruck von Lebensenergie. Die Punkbewegung war in erster Linie eine Musikbewegung. Von daher sind im Film die Songs der Ost-Punker drin. Die haben natürlich auch Westpunk gehört, deswegen die "Dead Kennedy's". Die haben sich vor allem über den Radiosender BFBS informiert über das, was angesagt war. Dagegen habe ich ein Mädchen aus dem Westen gesetzt, die ihre eigene Musik hört, vor allem die Neue Deutsche Welle. "Monotonie" von Ideal war eines meiner früheren Lieblingslieder. Die Score-Musik hat versucht, das alles zu verbinden, die Emotionalität der Figuren zu unterstreichen und dieses musikalische Sammelsurium in einen Guss zu binden.