Das Interview führte Margret Köhler.
Costa-Gavras (links) mit Ulrich Tukur
Ist die Bezeichnung "politischer Regisseur" ein Kompliment für Sie?
Ich bin zuallererst Cinéast. Es sind nicht die politischen Themen, die mich interessieren, sondern Einzelschicksale, Geschichten des Scheiterns, der Blick auf die Gesellschaft und auf das, was um uns passiert – in der Gegenwart wie in der Vergangenheit. Allerdings gibt es im Grunde keinen unpolitischen Film.
Wann haben Sie das Theaterstück "Der Stellvertreter" erstmals gesehen?
In den 60er Jahren in Paris. Bei der Aufführung kam es zu Protesten, es war ein Skandal, weil sich vorher nie jemand getraut hatte, die katholische Kirche so frontal anzugehen. Das hat mich schon damals fasziniert.
Und warum fast 40 Jahre später die Verfilmung?
Das Sujet hat doch nichts an Aktualität verloren. Mich interessierten vor allem diese beiden Männer, die Widerstand leisteten – der SS-Mann Kurt Gerstein im Hitler-System und der Jesuit Ricardo Fontana im Machtsystem des Vatikans. Und natürlich diese Form von Unterdrückung, die sich krakenhaft über Deutschland ausbreitete. Das Furchtbarste ist diese Gleichgültigkeit, alle wussten Bescheid, aber niemand handelte. So wie heute niemand etwas unternimmt, wenn ein ganzer Kontinent wie Afrika langsam stirbt. Es brennt überall auf der Welt und wir schließen die Augen und schweigen.
Wie verlief die Zusammenarbeit mit Rolf Hochhuth?
Von Anfang an machte ich verständlich, dass ich zwar den Geist des Stückes übernehme, aber meinen eigenen Film mache. Als Hochhuth das fertige Drehbuch las, reagierte er etwas heftig, wenn ich das mal so vorsichtig ausdrücken darf. Er meldete Kritik an und verlangte Änderungen wie die Übernahme weiterer Dialoge. Da habe ich ihm klipp und klar erklärt, er solle den fertigen Film abwarten. Danach war die Stimmung etwas frostig. Aber jetzt ist er zufrieden. Manchmal können Auseinandersetzungen auch kreativ sein.
Costa-Gavras (links) mit seinen Darstellern Mathieu Kassovitz und Ulrich Tukur
Sie lassen das Grauen der Konzentrationslager ahnen, zeigen es jedoch nicht.
Ich glaube, das kann man nicht. Ich musste andere Bilder finden, um dem Zuschauer das Schreckliche zu vermitteln. Wenn ein Schornstein im KZ Rauch ausstößt oder volle Züge in die Lager fahren und leere zurück, ahnt jeder, was passiert ist. Mein Film ruft Erinnerungen wieder in das Gedächtnis zurück.
Ist es nicht eigenartig, wenn ein griechischer Regisseur ein deutsches Theaterstück in englisch verfilmt mit deutschen, französischen und rumänischen Schauspielerin?
Einen kurzen Moment dachten wir daran, mit amerikanischen Stars zu drehen, Aber dann wäre wieder das Übliche dabei herausgekommen. Die Amerikaner als die Guten, die Deutschen als die Bösen, Nazis als Monster. Das ist mir zu eindimensional.
Was bedeutet der internationale Titel "Amen."?
Man kann "Amen" als Endpunkt verstehen, aber davon ausgehend auch als Möglichkeit zu einem Anfang.
Wollen Sie mit der Vereinigung von christlichem Kreuz und Hakenkreuz in blutrot auf dem Plakat provozieren?
Ich kann es nicht ändern, wenn sich jemand provoziert fühlt.