Das Interview führte Margret Köhler.
Regisseurin Sandra Nettelbeck
Ist Martha der Prototyp einer modernen Frau, die sich im Beruf verliert und dabei das Privatleben vergisst?
Das kann man nicht verallgemeinern. D i e moderne Frau gibt es nicht. Ich kenne viele moderne Frauen. Manche haben drei Kinder, andere arbeiten und sind kinderlos, andere verbinden Beruf mit Mutterschaft. Martha halte ich nicht für einen Prototyp, dafür ist sie zu speziell.
Wo liegt für Sie der Reiz an der Figur?
Ich wollte eine Geschichte über eine Frau erzählen, die durch ihre Kunst des Kochens lebt und für ihre Tätigkeit so viel Leidenschaft empfindet, dass sie gar nicht bemerkt, was sonst noch auf sie zukommen kann. Durch die Begegnung mit dem Kind wird sie plötzlich vor eine neue Aufgabe gestellt, ist emotional gefordert. Sie kreist sonst nur um ihren Mikrokosmos, redet über Küche und Essen. Mit der Tochter ihrer verstorbenen Schwester muss sie ganz anders kommunizieren, weil diese kein Interesse an gutem Essen hat, sondern Liebe und Schutz will. So öffnet sich Martha kindlichen Bedürfnissen und begegnet gleichzeitig auch anderen Menschen, die sie vorher einfach nicht wahrgenommen hat.
Sergio Castellitto und Martina Gedeck
Die Männer wirken relativ einfach gestrickt und nett, Frauen dagegen kompliziert und etwas zickig. Eine überraschende Sichtweise!
Ich halte Martha für überhaupt nicht zickig. Sie ist obsessiv, schräg und liebenswert, natürlich viel komplizierter als Männer. Manche Zuschauer finden die Figur unerträglich, weil sie der Ansicht sind, Martha trage furchtbar viele Probleme mit sich herum und kaum tauche der Mann auf, seien sie gelöst. Ich empfinde ihre Wandlung ganz anders. Sie braucht keinen Mann und hat auch keine Probleme, sie lernt nur eine neue Welt kennen und eine neue Liebe. Natürlich kann man von außen denken, es fehlt ihr etwas. Aber sie selbst realisiert das nicht so.
Sergio Castellitto lässt als Parade-Italiener kein Klischee aus ...
Er mochte die Rolle gerade deshalb, weil er mit Klischees spielen und dennoch eine Portion Ironie einbringen konnte. In der Szene, in der er die Geschichte seiner Mutter erzählt, weiß er genau, dass er jedes unserer Klischees bedient, denen zufolge Italiener gerne singen und essen und noch lieber von der 'Mama' reden. Und er legt seine Zuhörer rein. Hinter seinem fröhlichen Verhalten steckt viel mehr. In gewissen Momenten schwingt eine Melancholie mit. Aber natürlich ist es Marthas Geschichte, ich verstehe auch mehr von Frauen.
Die Sinnlichkeit des Essens findet man in dieser Form sonst nur in italienischen und französischen Filmen ...
Die Ursache liegt in der deutschen Küche. Sie ist keine Genießerküche, sondern eine Notwendigkeit, um sich zu ernähren. Das hat etwas mit dem kulturellen Hintergrund zu tun. So hätten wir gerne einen deutschen Titel gehabt, der aus der Küche stammt, aber die Suche danach war vergeblich.
Haben Sie so genannte "Esskultur-Filme" gesehen?
Big Night, ein wunderbarer Film. Aber da hatte ich das Drehbuch schon fast fertig und war irritiert, weil er zu nah an das herangeht, was ich wollte. Sonst habe ich einen Bogen um Kochfilme gemacht, um mich nicht eingeschränkt zu fühlen.
Die Atmosphäre in der Küche, das Herumhantieren am Herd wirkt authentisch. Wie haben Sie das hinbekommen?
Alles ist authentisch, das war mein Anliegen. Wir haben uns frühzeitig einen exzellenten Koch gesucht, Rocco Dressel. Er wusste, worauf es ankam und hat jede Bewegung mit uns in der Küche einstudiert. Alle, die am Herd stehen, haben einen Kochkurs bei ihm absolviert, wir haben zehn Tage in der Küche geprobt und beim Drehen war er die ganze Zeit dabei.