Das Interview führte Margret Köhler.
Regisseur und Hasuptdarsteller Elia Suleiman
An welches Publikum wenden Sie sich mit Ihrem Film?
Kein Filmemacher denkt an ein bestimmtes Publikum, sonst macht er einen schlechten Film. Mir ging es um die Suche nach Emotionen und Wahrheit und deren Vermittlung. Dafür gibt es kein Konzept. Nicht eine Sekunde dachte ich an den Zuschauer im Nahen Osten.
Göttliche Intervention ist auch nicht unbedingt ein Film über Palästina. Er spielt in der Gegend, sollte aber nicht als eine Dokumentation des Konflikts missverstanden werden, sondern dazu anregen, über die eigene Existenz nachzudenken, egal wo man lebt. Zuallererst erzähle ich eine unmögliche Liebesgeschichte, betrachte aus sehr persönlichem Blickwinkel die Krankheit meines Vaters und schildere als Insider und gleichzeitig Außenstehender die total absurde Situation am Grenzübergang Ramallah.
Der Film, den ich gesehen habe, handelt vom Palästinakonflikt.
Natürlich verdränge ich den Konflikt nicht, der sozialpolitisch brisante Ort war schließlich meine Wahl und selbstverständlich bringe ich meine Erfahrungen ein. Bei der Entwicklung des Buches dachte ich aber noch nicht an den Grenzübergang. Ich habe eine innere Reise durchgemacht, bei der er sich langsam zum Zentrum entwickelte. Aber ich fühle mich nicht als Prediger und entwerfe keine Lösung für den Nahen Osten. Meine Filme haben primär alle etwas mit mir zu tun. Die Figur heißt E.S., um Distanz zu wahren. Alles was Sie sehen, steht in Bezug zur Realität, ist eine Sammlung von teilweise selbst erlebten Geschichten. Dennoch ist es kein realistischer Film, mir ging es mehr um die Stimmung.
Sie sprechen von einem Liebesfilm: Ist Liebe in Zeiten der Intifada überhaupt möglich?
Gerade im Krieg, unter Besatzung oder Repression brechen sich Gefühle ihre Bahn, das kann Frustration oder Wut sein, aber auch tiefe Liebe. Die Menschen sind aufeinander angewiesen, sie versuchen trotz des ganzen Horrors dem Alltag etwas Positives abzugewinnen, klammern sich an die Hoffnung auf Normalität. In Ramallah sitzen die Leute im Café, gehen ins Kino und feiern den Geburtstag ihrer Kinder, eben um NICHT in Hoffnungslosigkeit abzugleiten.
Sehen Sie in naher Zukunft Grund für Hoffnung?
Ich bin kein politischer Analyst, sondern ein durch die Umstände politisierter Mann. Ich habe es gehasst, in Jerusalem zu leben, eine sehr provinzielle Stadt, ein Haufen religiöser Steine, sonst nichts. Die gespannte Atmosphäre dort nagt an der Substanz. In naher Zukunft sehe ich keine Hoffnung auf Frieden. Die gibt es nur, wenn sich Israel als Besatzungsmacht zurückzieht, sonst dreht sich die Spirale der Gewalt weiter.
Müssen nicht beide Seiten auf Gewalt verzichten? Selbstmordattentäter aus den besetzten Gebieten reißen junge Menschen vor einer Disco in den Tod, Studenten, die zur Uni fahren. Welchen Sinn soll dieses Morden haben?
Natürlich empfinde ich keine Freude an solchen Taten. Aber die Frage lautet doch, was war zuerst da, das Ei oder das Huhn? Die Hamas wurde von den Israelis aufgepäppelt, um die PLO zu zerstören. Diese Menschen verloren jegliche Hoffnung. Die Jugendlichen, die sich und andere in die Luft sprengen, haben das nicht in den Genen, sie sind Opfer der Besetzung. Ich wette mit Ihnen, wenn die Israelis sich zurückziehen, kehrt Normalität ein, gehen Kinder zur Schule und Erwachsene zur Arbeit. Aber solange Häuser zerstört und Palästinenser inhaftiert werden, solange die Besetzung anhält, hält auch die Gewalt an. Gewalt produziert Gegengewalt.
Woher kommt Ihre Ironie und ihr Sinn für subversiven Humor?
Ich mag Absurditäten und die Banalität des Alltags. Und ich liebe Kitsch. Kitsch und Humor ergänzen sich – manchmal ist das eine Gratwanderung. Wenn die Frau über die Grenze geht, sieht das ironischerweise wie eine Shampoo-Werbung aus, das hätte auch daneben gehen können. Es beruhigt mich, wenn Japaner und Isländer an der gleichen Stelle lachen. Lachen sehe ich auch als Moment der Befreiung, selbst in schlimmen Momenten.
Wie reagierten die palästinensischen Zuschauer?
Als erstes habe ich den Film in Ramallah gezeigt, eine denkwürdige Vorstellung, die ich nie vergessen werde. Die Bewohner leben dort unter schrecklicheren Bedingungen als denen im Film. Die Leute klatschten, als die Frau den Checkpoint überquert, sie konnten diese Situation nachvollziehen. Und als der Wachturm fiel, waren sie nicht mehr zu halten. Der Film läuft auch in den Kinematheken in Israel, in Tel Aviv, Jerusalem und Haifa. Da war das Kino gestopft voll.
Was sagen Sie zu dem
Wer das behauptet, hat meinen Film nicht verstanden. Ich würde fragen, wie er auf so eine Idee kommt.