Das Interview führte Holger Twele.
Sie sind als Dokumentarfilmer bekannt geworden. Warum nun ein Spielfilm nach einer Romanvorlage?
Weil es kein Film über Idi Amin ist, sondern über die Beziehung zwischen dem Arzt Nicholas Garrigan und Idi Amin. Diese Beziehung bildet das Kernstück des Films, der davon handelt, wie diese beiden Menschen einander mögen, sich auf eine seltsame Weise sogar lieben, und wie sich diese Beziehung langsam verändert. Es ist eine Charakterstudie und zugleich ein Spielfilm, der etwas über die Strukturen der Diktatur und die Ära des Postkolonialismus erzählt. Die Verhaltensweisen Garrigans sind typisch für den Egoismus der Weißen.
Was faszinierte Sie an Garrigan und Idi Amin?
Idi Amin ist in der Realität wie im Film eine der vieldeutigsten, widersprüchlichsten und besonders schillernden Figuren in der Geschichte des 20. Jahrhunderts. Er fasziniert deshalb so sehr, weil er viele Gegensätze in sich vereint: Er ist lustig und brutal, charismatisch und kindisch, aber auch paranoid und gefährlich. Garrigan hingegen ist oberflächlich betrachtet ein sehr geradliniger, durchschnittlicher Charakter. Wenn man aber etwas an dieser Oberfläche kratzt, erscheint er doch etwas komplexer und sehr zwiespältig, gerade auch in seinem moralischen Anspruch. Er ist ein typischer Antiheld.
Warum haben Sie den Film in Uganda gedreht?
Die Frage könnte auch lauten, warum ich ihn nicht in Uganda hätte drehen sollen. Die meisten Filme über Afrika wurden bislang in Südafrika oder vielleicht auch noch Kenia gedreht. Der Originaldrehort verleiht dem Film Authentizität und Stimmigkeit. Das Publikum gewinnt den Eindruck, einen bislang unbekannten Ort kennen zu lernen, ein Land, das Anfang der 1970er-Jahre sehr schön war. Ich wollte den Menschen eine Welt zeigen, die es so noch nicht gesehen hat.
Werden die Menschen in Uganda aus ihrer Geschichte lernen?
Zunächst einmal ist der Film kein Geschichtsfilm sondern eine Charakterstudie. Was sich daraus lernen lässt, betrifft nicht nur Uganda selbst. Wie jeder anspruchsvolle Film handelt er von den Menschen und der menschlichen Natur. Wir hätten auch einen Film über die Hitler-Zeit in Deutschland oder über Mussolini drehen können. Zum anderen glaube ich wirklich, dass insbesondere die Leute in Uganda daraus lernen können, wie sie die Politiker besser kontrollieren und ihnen nicht zu sehr vertrauen. Freilich hatten die Menschen dort nicht immer die Wahl, gerade wenn ihre Regierung vom Militär kontrolliert wurde. Der jetzige Präsident von Uganda [Yoweri Kaguta Museveni, A.d.R.] erteilte seine Dreherlaubnis für diesen Film, weil er der Meinung war, seine Landsleute könnten dadurch etwas über die Gefahren einer Diktatur lernen. Allerdings ließ auch dieser Präsident, der seit 20 Jahren an der Macht ist, Menschen ohne Gerichtsurteil inhaftieren, foltern oder sogar ermorden. Freilich nicht einmal ansatzweise in dem Umfang wie Idi Amin das tat.
Bislang existierte noch keine Filmindustrie in Uganda. Könnte Ihr Film daran etwas geändert haben?
Ich denke schon, denn als Low-Budget-Produktion mussten wir viele ugandische Arbeitskräfte beschäftigen, sowohl hinter als auch vor der Kamera. Insbesondere im Produktionsbereich gaben wir den Menschen Anleitungen, wie sie ihre Arbeit besser machen konnten, und sie lernten, wie ein Film entsteht. Ich hörte gerade erst, dass einige von ihnen nun ihren ersten eigenen billig produzierten Videofilm drehen wollen. Das wird nicht einfach sein, aber ich denke, jedes Land sollte im Kino auch selbst vertreten sein, um die eigene Kultur zu vermitteln. Genau das passiert jetzt in Uganda und wir haben unseren Teil dazu beigetragen.
In Großbritannien unterstützen sie ein ähnliches filmpädagogisches Projekt wie Kinofenster. Was erhoffen Sie sich von der neu geschaffenen Film Club-Initiative?
Der Film Club ist ein wundervolles Projekt, das es sich zur Aufgabe gemacht hat, jungen Menschen in der Schule, also Kindern und Teenagern, klassische Filme zu präsentieren. Auf diese Weise lernen sie, das Kino umfassender und in einem historischen Kontext zu schätzen, zugleich wird ihr Interesse an der Geschichte und an fremden Kulturen geweckt. Filme wie
Der letzte König von Schottland,
Hotel Ruanda oder auch
Wer Feuer sät beruhen auf Ereignissen in Afrika aus den vergangenen 20 oder 30 Jahren. Sie tragen dazu bei, sich über die Länder und die dort lebenden Menschen Gedanken zu machen, die unter den Folgen eines Krieges und den politischen Ereignissen auf diesem Kontinent leiden. Als Heranwachsender sah ich beispielsweise den Film
Killing Fields – Schreiendes Land über Kambodscha, den Völkermord und die Roten Khmer. Ich war damals fasziniert von diesem Stoff und las alles, was ich in der Zeitung über Kambodscha fand. So lernte ich immer mehr über dieses Land und seine Geschichte. Selbst wenn Filme keine historischen Aspekte aufweisen, vermitteln sie neue Sichtweisen und geben erste Impulse, um etwas herauszufinden, beispielsweise auch über sich selbst.