Der Junge Kalle Blomquist, wegen seiner kriminologischen Fähigkeiten 'Meisterdetektiv' genannt, und seine Freunde Anders und Eva-Lotta haben sich zur zur "Weißen Rose" zusammengeschlossen. Während des ganzen Sommers ringen sie mit den drei Jungs der rivalisierenden Gruppe der "Roten Rose" um die Vorherrschaft und den Besitz des 'Großmummrichs', eines geheimnisvollen Steins. Im Zuge dieser Scharmützel beobachtet Eva-Lotta eines Tages, wie ein älterer Mann, der als notorischer Kredithai gefürchtet ist, und ein Unbekannter kurz hintereinander in einer Scheune verschwinden. Als das Mädchen dort wegen eines Wolkenbruchs Zuflucht sucht, läuft der Unbekannte gehetzt weg. Kurz darauf findet sie die Leiche des Kredithais. Entsetzt flüchtet Eva-Lotta zu ihren Eltern. Als ihr Name bei der Berichterstattung in der Zeitung genannt wird, gerät die unfreiwillige Zeugin in Gefahr. Der aus Stockholm angereiste Kommissar kommt trotz der detaillierten Aussagen Eva-Lottas dem Täter nicht auf die Spur, so dass Kalle die Ermittlungen aufnimmt. Ein feiger Mordanschlag mit vergifteter Schokolade, dem das Mädchen nur durch Zufall entgeht, bringt dem jungen Detektiv den entscheidenden Hinweis.
Kurz vor dem 90. Geburtstag der berühmten schwedischen Schriftstellerin Astrid Lindgren am 17. November 1997 stellt die vorliegende Neuverfilmung ihres Romans einmal mehr die Qualitäten ihrer Kinderbücher heraus. Eine spannende Geschichte mit einem positiven Ausgang, starke Kinderfiguren mit hohem Identifikationspotenzial, überraschende Wendungen und eine gute Portion Humor verbinden sich zu einem Lese-Erlebnis, auf das sich nun schon Generationen von Kindern verlassen können. Ähnliches gilt im Kern auch für diese Neuverfilmung, achtet die Autorin doch stets darauf, dass der Grundtenor ihrer Vorlagen erhalten bleibt. Auch Regisseur Göran Carmbeck, der bereits zwei Kurzfilme nach Lindgren-Vorlagen drehte, hat die zeitlos wirkende schwedische Sommeridylle beinahe ungebrochen erhalten; lediglich die Figur der Eva-Lotta wurde behutsam 'modernisiert'. Hier hat die Drehbuchautorin Johanna Hald, die vor einigen Jahren selbst bei der Lindgren-Verfilmung
Lotta aus der Krachmacherstraße Regie führte, im Kontrast zur ersten Verfilmung durch Rolf Husberg vor 44 Jahren einen emanzipatorischen Akzent gesetzt. So tritt die langzöpfige Eva-Lotta nämlich in der Regel ziemlich burschikos auf, um von den raubeinigen Jungs akzeptiert zu werden. Doch nach der Entdeckung der Mordtat verliert sie kurz die Nerven: Noch sichtlich unter Schock stehend, sagt sie zur Mutter, die sie zu beruhigen versucht: "Kein Rosenkrieg mehr!" Aber das hübsche Kleid, das sie danach demonstrativ trägt, um sich von den Jungen zu distanzieren, hat schon bald wieder ausgedient. Kalle dagegen kann so schnell nichts erschüttern. Souverän wie immer beobachtet und kombiniert er so lange, bis er auch diesen schweren Fall gelöst hat. Dass ihn seine beiden Bandenkameraden zu Anfang als Tagträumer verspotten, ärgert ihn kaum: So etwas gehört zu den üblichen Frotzeleien unter Kindern. Wirkt der junge Detektiv allerdings gerade im Vergleich zum harmlosen Stadtpolizisten oder zum undifferenziert gezeichneten Verbrecher stellenweise schon fast zu perfekt, macht ihn sein selbstironischer Humor wiederum sympathisch, etwa wenn er nach Bekanntwerden des Mordes zu sich selbst sagt: "Die schrecklichsten Verbrechen passieren hier, und du packst Heringe ein!"
Wie bei Lindgren-Filmen üblich, gibt es auch hier keine expliziten Gewaltszenen, wohl aber bedrohliche Situationen. Wenn der Mörder in dem verlassenen Haus am Stadtrand das Mädchen umschleicht und mit dem Revolver bedroht, dürfte so mancher junge Zuschauer gebannt mitfiebern. Erfreulicherweise benötigen die Kinder im Film aber keinen Erwachsenen, der sie aus der gefährlichen Lage befreit – dazu reichen ihre Cleverness und etwas Geschick. Lediglich um ihn zu überwältigen und festzunehmen, muss die Polizei anrücken. Bemerkenswerterweise gelingt die Rettung nur, indem die beiden Kinderbanden im Augenblick der höchsten Gefahr alle Rivalitäten beiseite schieben und einander helfen. Ein schlagendes Beispiel für die Notwendigkeit von Solidarität! Gerade weil die solide Regie das ganz unspektakulär in Szene setzt, zeigt diese Konfliktlösung, wie wichtig es ist, dass Schwächere auch einen Übermächtigen besiegen können, wenn sie sich zusammenschließen.
Glaubwürdigkeit beim Zielpublikum erlangt der unterhaltsame Kinderkrimi nicht zuletzt dadurch, dass er – dramaturgisch geschickt – alltägliche Erfahrungen von Heranwachsenden reflektiert, zum Beispiel wie wenig sie von Erwachsenen oft ernstgenommen werden: Nachdem Kalle im eigenen Chemielabor das tödliche Arsen in der Schokolade entdeckt hat, glaubt ihm der sture Polizeibeamte nicht. Doch Kalle lässt sich nicht entmutigen. Wer sich durchsetzen will, muss Beharrlichkeit zeigen.
Autor/in: Reinhard Kleber, 01.09.1997